Geschichte der Persönlichkeitstests – von Griechenland über die Alpen in die USA

Was haben Griechenland, Schweiz und USA gemeinsam?
Es gab dort die wichtigsten Entdeckungen zu unserer Persönlichkeit!

Persönlichkeitstests wie der Typentest Persönlichkeitstest sind ein vergleichsweise junges Phänomen. Fast alle uns heute bekannten Tests sind innerhalb der letzten 50 Jahre entstanden. Mit der Persönlichkeit selbst beschäftigen sich die Menschen allerdings schon sehr lange – wahrscheinlich bereits seit Anbeginn von Kultur und Sprache. Angefangen hat Alles bei den alten Griechen…

Griechenland: mystische Anfänge der Persönlichkeit

Unsere heutigen Begriffe der Person und der Persönlichkeit stammen von der griechischen Persona ab – der Maske, die Schauspieler auf antiken Theaterbühnen bei Tragödien und Komödien trugen. Die wiederum stammen vom lateinischen Wort personare = hindurchtönen – was man als „durch die Maske hindurchtönen“ verstehen kann.

Die ersten Gedanken zur Persönlichkeit – zumindest was Aufzeichnungen solcher Gedanken angeht – gab es bei den Griechen 400 -200 vor Christus: Empedokles erfand die Elementlehre von Feuer, Wasser, Erde und Luft. Hippokrates entwickelte die Viersäftelehre, die sich mit Körperflüssigkeiten beschäftigte. Beides kombinierte Galenos von Pergamon und machte daraus die noch heute bekannte menschliche Temperamentlehre mit den vier Typen Choleriker, Melancholiker, Sanguiniker und Phlegmatiker. Der Philosoph Aristoteles meinte, das Temperament an der Art des Blutes erkennen zu können, und fügte noch das fünfte, mystische Element Äther hinzu. Sein Kollege Platon unterteilte die menschliche Seele dagegen in die Bereiche Begierde, Mut/Wille und Vernunft.
Im Gegensatz zu heute ging es damals nicht nur um die Persönlichkeit an sich, sondern um eine ganzheitliche Ansicht des Menschen, die Medizin, Biologie und Psychologie/Philosophie kombinierte. Aus heutiger Sicht erscheint vieles davon mystisch, kurios und das Meiste hat sich als falsch erwiesen. Dennoch erschufen die alten Griechen Grundlagen, die teilweise noch Jahrhunderte vorherrschten und später zu besseren, moderneren Erkenntnissen geführt haben.

Psychoanalyse in den Alpen

Vom Griechenland der Antike machen wir einen großen Sprung durch Zeit und Raum in zwei Alpenländer um die Wende vom 19. ins 20. Jahrhundert – denn in der  Zeit dazwischen hat sich nicht allzu viel getan auf dem Weg zur Erforschung unserer Persönlichkeit. Das sollte sich jedoch ändern. Denn in Österreich und der Schweiz wurden viele Grundlagen der modernen Psychologie gelegt. Drei der prominentesten alpenländischen Vertreter dieser Sparte sehen wir uns näher an: der Schweizer Sigmund Freud begründete die Psychoanalyse und ist wahrscheinlich jedem ein Begriff: unzählige Male wurde er porträtiert und parodiert als der typische Psychiater, der aufmerksam zuhörend neben dem Patienten sitzt, der auf der Couch liegend von seinen Nöten berichtet. Freud sah den Mensch als von seinen sexuellen Trieben beherrscht, die alles andere überschatten. Seine Ideen werden bis heute kontrovers diskutiert. Sein Österreichischer Kollege Alfred Adler, der Begründer der Individualpsychologie, begriff den Mensch dagegen als frei in seinen Entscheidungen und wandte sich von Freud ab. Auch Freuds Schweizer Kollege Carl Gustav Jung zerstritt sich mit seinem ehemaligen Mentor Sigmund und schuf seine eigenen, teils ebenfalls kontroversen Theorien. Jung entwickelte 1921 aber auch die bis heute gültigen Begriffe introvertiert und extrovertiert und baute darauf eine Typologie auf, nach der er Menschen einschätzte und die später die Grundlage für weitere Modelle bildete.
Die Theorien dieser drei bekanntesten alpenländischen Psychologen werden heute vielfach als kontrovers oder überholt betrachtet, gelten aber dennoch als sehr wichtige Entwicklungsschritte auf dem Weg zu unserer heutigen Psychologie.

Die USA forscht

Bisher haben wir viel von Theorien und Ideen gehört. Die Persönlichkeitsforschung beruhte bis dato hauptsächlich auf persönlichen Anekdoten, Eingebungen und Beobachtungen – alles schwer greifbare und nicht klar nachweisbare Dinge. Doch das sollte sich Anfang des 20. Jahrhunderts ändern: mit einem Schwenk der Persönlichkeitsforschung in die USA.

Bereits 1884 hatte der britische Naturforscher Francis Galton den lexikalischen Ansatz entwickelt: er entdeckte, dass sich Persönlichkeit in der Sprache niederschlägt. Das wir für alle bedeutenden Persönlichkeits-Eigenschaften und -Unterschiede eigene Worte entwickelt haben, so dass die Persönlichkeit mithilfe von Sprache beschreibbar ist und die entsprechenden Worte im Lexikon auffindbar sind.
Eine der Ersten, die nach diesem Prinzip Eigenschaftswörter aus einem Lexikon herausschrieb und zusammengehörige Wörter bündelte, war 1933 die Deutsche Franziska Baumgarten. 1936 wurde diese Idee auch von den US-Amerikanern Gordon Allport und Sebastian Odbert aufgegriffen. Aus einem riesigen Pool von 400,000 Wörtern filterten sie 17,953 Wörter heraus, die Persönlichkeit oder Verhalten beschrieben. Zum ersten Mal wurden damals durch die Bündelung zusammengehöriger Eigenschaftswörter so genannte Persönlichkeits-Faktoren gebildet. Auf Basis dieser Forschung entwickelte der US-Amerikaner Raymond Cattell in den 1940er Jahren sein 16PF Persönlichkeitsmodell mit 16 Faktoren.
Der Deutsch-Britische Psychologe
Hans Jürgen Eysenck beschrieb 1947 die beiden Persönlichkeitsfaktoren Extraversion und Neurotizismus (emotionale Empfindlichkeit). Eysencks Modell zeigte u.a. Übereinstimmungen mit der griechischen Temperamentlehre und hatte großen und langen Einfluss auf die spätere Persönlichkeitsforschung.

Ab hier spielten sich alle wichtigen Entwicklungen fast ausschließlich in den USA ab: auf Carl Gustav Jungs Arbeit basierend wurde in den 1960ern der MyersBriggs Typindikator (MBTI) entwickelt, der besonders bei Laien großen Anklang fand, aber keine Bedeutung in der akademischen Persönlichkeitsforschung erlangte. Später in den 1980ern folgten darauf David Keirsey’s Temperamente – eine Mischung der griechischen Temperamente und der Theorien von Jung & MBTI – die ebenfalls sehr populär wurden, aber auch keine Relevanz für die Forschung hatten.

Die US-AirForce Psychologen Ernest Tupes and Raymond Christal griffen 1963 das lexikalische Prinzip von Odbert & Allport wieder auf und fanden anhand von langen Wörterlisten erstmals fünf große, zusammenhängende Persönlichkeitsfaktoren. An der Forschung waren in den folgenden Jahrzehnten noch viele weitere Wissenschaftler beteiligt, nahezu alle davon aus den USA. 1981 prägte schließlich der Psychologe Lewis Goldberg den Begriffe Big Five für diese fünf großen Persönlichkeitsfaktoren. Durch die Entwicklung leistungsfähiger Computer und damit neuer Möglichkeiten der Berechnung, wurde die Persönlichkeitsforschung in den Folgejahren erheblich vorangebracht. Weltweit bekannt und anerkannt wurden die Big Five Faktoren schließlich durch den 1985 von Paul Costa & Robert McCrae entwickelten, standardisierten NEO Persönlichkeitstest, der später immer weiter verbessert und erweitert wurde.
Mittlerweile sind die Big Five der Persönlichkeit weltweit anerkannt als bestmögliches Modell zur Erforschung unserer Persönlichkeit – auch wenn sie bei Laien nach wie vor nicht besonders bekannt sind. Es gibt Big Five Tests in vielen Formen und Variationen, die bekanntesten Weiterentwicklungen davon sind neben den diversen NEO Versionen von Costa & Mc Crae der BFI, Hexaco, FIRNI und IPIP

Der Rest der Welt

Auffällig in der Geschichte der Persönlichkeit(stests) ist, dass sich die entscheidenden Schritte in der Erforschung unserer Persönlichkeit und Psychologie vor allem in drei Gebieten abgespielt haben: erst im antiken Griechenland, dann vor ca. 100 Jahren in Österreich und der Schweiz und schließlich heute in den USA.
Natürlich gab und gibt es auch anderswo auf der Welt bedeutende Forscher zu diesen Themen, aber die wichtigsten Entwicklungen und prominentesten Personen kamen – abgesehen von Galton, Baumgarten und Eysenck – erstaunlicherweise ausschließlich aus diesen drei Regionen.

Auffällig ist auch, dass fast sämtliche aktuell genutzten Persönlichkeitstests und Theorien aus den USA stammen. Sowohl die wissenschaftlichen – z.B. MMPI, 16PF, so wie die Big Five und ihre diversen Variationen und Weiterentwicklungen, als auch die kommerziell oder laienpsychologisch ausgerichteten Modelle – z.B. MBTI, Reiss Profile, DISG, Gallup StrengthsFinder oder VIA-IS – alle heute bekannten Tests stammen aus den USA. Zwar gibt es in einigen Ländern auch Persönlichkeitstests, die speziell dort eine Bedeutung haben, z.B. in Deutschland das berufsbezogene BIP, allerdings haben diese international keine Relevanz.

Es gibt nur zwei nennenswerte Ausnahmen: einmal das spirituelle Persönlichkeitssystem des Enneagramm. Die ursprüngliche Herkunft des Enneagramm-Symbols ist unklar, erstmals nachweisbar ist es vor 100 Jahren in Russland. Das heute bekannte Persönlichkeits-Enneagramm wurde später in Bolivien entwickelt. Popularität genießt es vor allem in Deutschland, ist aber auch weltweit bekannt.
Zweite Ausnahme ist das kontroverse System der Sozionik: dem MBTI sehr ähnlich basiert es auf Carl Gustav Jungs Arbeit, stammt aber aus der ehemaligen Sowjetunion und hat im russisch- sowie englischsprachigen Bereich eine geringe Bekanntheit.

Was bringt die Zukunft?

Die USA zeigen in der Persönlichkeitsforschung derzeit eine ganz klare Vorherrschaft – ähnlich wie im Online- und in vielen Technologiebereichen. Auch zukünftige internationale Entwicklungen und Impulse in diesem Bereich werden vermutlich hauptsächlich von dort kommen. Allerdings wird gerade an den Big Five auch weltweit geforscht – was hunderte neue Studien aus vielen verschiedenen Ländern jedes Jahr belegen, z.B. die Deutsche zum Thema wie sich Persönlichkeit im Lauf des Lebens verändert. Es ist also sichergestellt, dass unsere Sicht der Persönlichkeit nicht allein durch die US-amerikanische Kultur bestimmt wird. Und natürlich gibt es auch lokal und kulturell angepasste Versionen der US-Modelle – wie den Typentest.
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Ähnliche Themen: Persönlichkeitstetss im Job – Sinn oder Unsinn?, Berufstest, Charakterstärken-Test VIA-IS, Persönlichkeitsstörungen

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2 Responses to Geschichte der Persönlichkeitstests – von Griechenland über die Alpen in die USA

  1. Diana sagt:

    hallo, ich möchte gerne wissen wer der Autor von diesem Artikel ist. Denn ich schreibe eine Wissenschaftliche Arbeit (VWA) und muss angeben woher ich die Infos habe und wer sie geschrieben hat.

  2. Lars Lars sagt:

    Hallo Diana,

    ich bin Autor von allen Texten hier, siehe Impressum: http://www.typentest.de/typentest_de_-_impressum/typentest_de_-_impressum.htm

    Schöne Grüße
    Lars

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