Wie sich die Persönlichkeit im Lauf des Lebens verändert

Wie verändert sich unsere Persönlichkeit im Lauf des Lebens?
Verändert sie sich überhaupt?

Bei den Big Five geht man bisher davon aus, das die Persönlichkeit eines Menschen im Lauf des Lebens relativ stabil bleibt und sich nur wenig verändert. Im Mbti wird allgemein die Theorie vertreten, dass ein Persönlichkeitstyp angeboren ist und das ganze Leben lang gleich bleibt. Allerdings zeigen selbst Mbti-eigene Studien klar auf, das bei den meisten Menschen der Typ schwankt, wenn sie den Test ein weiteres Mal machen.

In Deutschland wurde nun eine Studie* mit insgesamt 14.718 Teilnehmern durchgeführt, die Veränderungen der Persönlichkeit im Lauf des Lebens untersucht hat. Die Teilnehmer kommen aus allen Altersgruppen ab 16 Jahren. Alle haben am Anfang einen kurzen Big Five Test gemacht, und dann vier Jahre lang jedes Jahr einen Fragebogen beantwortet, in dem es um Veränderungen in ihren Lebensumständen ging, z.B. Heirat, neue Wohnung, neuer Job, etc.. Am Ende der vier Jahre haben sie alle noch einmal den gleichen Big Five Test gemacht.

Die Ergebnisse:

Bei Gewissenhaftigkeit (Spontan – Geplant im Typentest Persönlichkeitstest) gibt es die meisten Veränderungen: mit dem erwachsen werden steigt die Ausprägung in diesem Faktor bei den meisten Menschen deutlich an, d.h. sie werden gewissenhafter und leben geplanter als sie es in der Jugend waren. Diese Veränderung findet allerdings nicht nur beim erwachsen werden statt, sondern dauert bis ins Alter von 30-40 Jahren an. Danach nimmt die Gewissenhaftigkeit bei vielen wieder langsam ab. Hier gibt es auch die meisten Unterschiede zwischen Menschen im Lauf des Älter werdens: die einen werden gewissenhafter, die anderen nicht, bzw. nur wenig.
Ein Lebensereignis das die Gewissenhaftigkeit stark beeinflusst, ist der erste Job: die meisten Menschen werden mit dem antreten ihres ersten Jobs gewissenhafter. Und zwar nicht nur auf der Arbeit, sondern allgemein. Verliert jemand seinen Job oder geht in den Ruhestand, lässt auch die Gewissenhaftigkeit wieder etwas nach (wenn auch nicht so stark).

Unsere Persönlichkeit passt sich also in einem gewissen Rahmen sozialen Anforderungen an.

Offenheit für neue Erfahrungen (Praktisch – Theoretisch im Typentest) birgt interessante, wenn auch nicht sonderlich überraschende Veränderungen: in der Jugend ist die Offenheit bei den meisten Menschen am Höchsten und nimmt im Laufe des Lebens langsam ab, d.h. wir werden weniger offen mit dem Alter. Dabei sinkt die Offenheit bis zum Alter von ca. 30, bleibt dann konstant, und nimmt ab ca. 60 weiter ab.

Extroversion (IntrovertiertExtrovertiert im Typentest) nimmt im Lauf des Lebens leicht ab. Menschen die in den vier Jahren heirateten oder mit ihrem Partner zusammenzogen, waren vorher im Schnitt etwas extrovertierter als andere, die Extroversion hat aber dann in Folge dieser Ereignisse bei ihnen abgenommen.

Verträglichkeit (Hart – Kooperativ im Typentest) bleibt bei den meisten im Lauf des Lebens stabil und nimmt im Alter (ca. ab 60) leicht zu. Niedrigere Verträglichkeit führt öfter zu einer Scheidung oder Trennung, und nach diesen Ereignissen steigt die Verträglichkeit bei den meisten etwas an. Höhere Verträglichkeit führt etwas häufiger zu Arbeitslosigkeit (interessant wären die Gründe hierfür, welche die Studie leider nicht liefern kann).

Emotionale Stabilität / Neurotizismus  (Resistent – Empfindlich im Typentest) bleibt im Verlauf des Lebens am stabilsten und verändert sich bei den meisten nur wenig. Zwar verändern positive oder negative Ereignisse die Persönlichkeit kaum, aber niedrige emotionale Stabilität führt zu etwas mehr negativen Ereignissen.

Allgemein bleibt die Persönlichkeit im Alter von 40-60 bei den meisten Menschen am stabilsten, d.h.sie verändert sich in diesem Zeitraum am wenigsten, unterliegt davor und danach aber einigen Veränderungen.

All diese Aussagen sind natürlich reine Statistiken und treffen nicht auf jeden einzelnen zu. Zudem handelt es sich meist um eher geringe Änderungen. Allerdings lassen sich dadurch durchaus relevante Aussagen machen, die auf die meisten Menschen zutreffen.

Bisher hat man im Bereich der Big Five gedacht, das sich die Persönlichkeit ab 30 nicht mehr groß ändert. Diese Theorie wurde von den Big Five Vorreitern Costa und McCrae aufgestellt, und mit dieser deutschen Studie nun zum Teil widerlegt.

Ähnliche Themen: PersönlichkeitsstörungenEmpathie, Introspektion – der Blick nach Innen, Länder-Klischees, Ambivertiert: in der Balance zwischen Introvertiert und Extrovertiert, Kurios: Niesen sagt etwas über die Persönlichkeit!?

*Quellen: Stability and change of personality across the life course: The impact of age and major life events on mean-level and rank-order stability of the Big Five., Specht, Jule; Egloff, Boris; Schmukle, Stefan C., 2011 Download Studie

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6 Responses to Wie sich die Persönlichkeit im Lauf des Lebens verändert

  1. Libra sagt:

    Interessanter Artikel.
    Ich finde es allgemein gut, dass hier bei TypenTest Wert auf wissenschaftliche Theorien und Studien gelegt wird.
    Die MBTI/Jung-Typologie wird nicht einfach eins zu eins übernommen, sondern auch kritisch hinterfragt und aufgrund wissenschaftlicher Argumente sowie zugunsten der Differenzierung unabhängig optimiert.
    Das ist lobenswert.

  2. Pingback: Auch im Alter kann sich die Persönlichkeit verändern | TypenTest.de Blog

  3. Sven Buerger sagt:

    Die Persönlichkeitsveränderungen resultieren im Großen und Ganzen aus Erziehungsmaßnahmen, die ab einem bestimmten Alter nicht mehr greifen.
    Es ist absolut sicher das ein Kind ab einem bestimmten Alter, ich sage mal ca. 8 Jahre (viele sagen schon vorher) eine grundlegende Persönlichkeitsstruktur gebildet hat.
    Alles was danach kommt, ist das Ergebnis der Gesellschaftlichen Normen.

  4. Lars Lars sagt:

    In Studien zeigt sich immer wieder, dass die Erziehung erstaunlich wenig Einfluss auf die grundlegende Persönlichkeit hat (leider oder zum Glück?).

    Man geht heute davon aus, dass 50%+ der Persönlichkeit genetisch festgelegt sind. D.h. sie formt sich nicht im Laufe des erwachsen werdens, sondern sie tritt im Laufe des erwachsen werdens erst richtig zum Vorschein. Unsere Umgebung nimmt natürlich auch Einfluss auf die Persönlichkeit, aber das ist eher ein leichtes verändern der ansonsten recht festen Form.

  5. KN sagt:

    Danke für den interessanten Artikel.
    Bei der Frage warum Leute mit höherer Verträglichkeit eher arbeitslos werden, kam mir sponan der Gedanke, dass es nur daran liegen kann, dass diese Menschen nicht so kompetitiv sind. Sie sind wahrscheinlich harmonieliebend und gehen Streitigkeiten aus dem Weg, so auch auf dem Arbeitsplatz, wo sie eher auf Chancen verzichten und dem Konflikt und Wettkampf um die nächste Beförderung aus aus dem Weg gehen. Sie fallen deshalb wahrscheinlich leistungstechnisch nicht auf und wenn es um die Kürzung von Arbeitsplätzen geht, wird dann meist doch der gekündigt, der die Firma nicht so voran bringt, wie andere, auch wenn die Person überall beliebt ist. Das gleiche gilt sicherlich für Vorstellungsgespräche. (Jemand der etwas weniger Verträglichlichkeit besitzt punktet da möglicherweise durch einen kompetenteren und selbstsicheren Eindruck zusätzlich zu einem freundlichen und angenehmen Erscheinungsbild.) Der ’neue‘ H – Faktor spielt da eventuell auch eine Rolle. Jemand der bescheidener u./od. ehrlicher ist, wird sich sicherlich ebenso ‚verkaufen‘ (sprich auf bescheidene Weise ohne Übertreibungen und dadurch eher weniger selbstbewusst wirken) und nicht so viel Energie einbringen, wie jemand der eine steile Karriere machen will und bereit ist für Geld und Anerkennung/Ansehen zu kämpfen.

    Was die Veränderung der Persönlichkeit je nach Lebenssituation angeht, stellt sich mir die Frage in wie weit Offenheit für Neues (ins besondere Flexibilität) bei den Leuten mit den größten Schwankungen ausgeprägt ist.
    Gibt es solche Studien irgendwo nachzulesen?

  6. Lars Lars sagt:

    Hi KN,

    gute Argumentation, das sehe ich sehr ähnlich. Wahrscheinlich setzen Menschen mit geringer Verträglichkeit zu wenig Ellbogen ein. Nur das mit Kompetenz und Selbstsicherheit spielt da keine Rolle: ob jemand kompetent wirkt, hat eher mit hoher (bzw. niedriger) Gewissenhaftigkeit zu tun, und Selbstsicherheit mit hoher Extroversion und niedrigem Neurotizismus (emotionaler Empfindlichkeit). Jemand mit geringem H-Faktor versucht sich natürlich besser zu verkaufen, als er ist. Wie immer sehr kompex das Ganze.

    Konkrete Studien über Menschen mit besonders deutlichen Ausprägungen gibt es meines Wissens nach nicht (außer im Zusammenhang mit Persönlichkeitsstörungen), denn das ist statistisch schwer zu erfassen und vor allem müsste man da erst einmal eine These aufstellen, was man von so einer Studie überhaupt erwartet bzw. damit herausfinden will.
    In meinem kommenden Buch wird es allerdings einige Beschreibungen zu Stärken und Schwächen von besonders hohen Ausprägungen geben, natürlich auch zur Offenheit.

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