Persönlichkeitstests im Job – Sinn oder Unsinn?

Machen Persönlichkeitstests im Job Sinn? Oder wird durch verfälschte Testergebnisse eher das Wunschdenken von Chefs und Mitarbeitern bestätigt? Wir nehmen Persönlichkeitstests im Beruf unter die Lupe und sehen uns an, was sie können – und was nicht.

Angeregt wurde der Artikel durch einen aktuellen Beitrag auf Zeit online namens der perfekte Kollege. Darin wird der Persönlichkeitstest des Reiss Profile scharf kritisiert. Dafür, dass er in der Business-Version Fragen stellt, die nichts mit dem Beruf zu tun haben. Fragen wie „Ich liebe Essen“, „Ich habe eine Tendenz zu Übergewicht“ oder „Ich gerate in viele Streitereien, Diskussionen und Kämpfe“, die sich auf Themen wie Essen, Familie, Sexualität oder wie im letztgenannten Fall auf das Motiv Rache beziehen. Da kommt natürlich zu Recht die Frage auf, was solche Fragen in einem berufsbezogenen Test zu suchen haben.

Tests für das Leben, nicht für den Beruf

Zuerst einmal ist es wichtig, zu wissen: so gut wie alle gängigen Persönlichkeitstests wurden nicht für den Einsatz im Beruf entwickelt. Sondern dazu, um die vielfältigen, verschiedenen menschlichen Verhaltensweisen – und im Falle des Reiss-Profile Motivationen – zu messen. Das tun sie meist auch ganz gut. Natürlich gibt es aber viele Verhaltensweisen und Motivationen, die nichts mit dem Job zu tun haben und von denen man nicht unbedingt will, dass Kollegen oder gar der Chef genauestens Bescheid wissen, wie man dort tickt. Denn die meisten Persönlichkeitstests wurden allgemein für das Leben entwickelt, nicht für den Beruf. Daher gibt es oft Fragen zu Vorlieben und Verhaltensweisen, die im Beruf keine Relevanz haben. Und deshalb ist die Aufregung Vieler um die nicht berufsbezogenen Fragen auch verständlich. Zu was das führt, sehen wir im Folgenden.

Manipulieren beim Persönlichkeitstest?

In den Kommentaren zum Artikel auf Zeit online wird ein großes Problem von Persönlichkeitstests im Beruf deutlich. Viele Testteilnehmer wollen:

1. nicht, dass eventuell pikante Details über ihre Person bekannt werden;

2. möglichst positiv beim Test abschneiden, um dem Unternehmen den perfekten Mitarbeiter zu präsentieren. Bzw. auf keinen Fall negativ auffallen bei einem solchen Test;

Vor allem Punkt 2 führt dazu, dass Fragen unehrlich beantwortet werden, um ein möglichst gutes Bild abzugeben. Selbstverständlich ist man sehr extrovertiert und ordentlich. Hilfsbereit sowieso. Alles andere positiv Klingende auch. Das führt natürlich jeden Persönlichkeitstest ad absurdum. Und es macht solche Tests als Einstellungskriterium bei der Bewerberwahl ziemlich unsinnig. Denn es punktet dann nicht, wer die möglichst passende Persönlichkeit hat, sondern der, der die Antworten möglichst passend den Vorstellungen der Personaler und Chefs entsprechend ankreuzen kann. Sprich: den Test durchschaut. Das dies weder im Sinn des Unternehmens, noch der potenziellen Mitarbeiter ist, versteht sich von selbst. Dabei sind Persönlichkeitstests sowieso denkbar schlecht geeignet, um die Eignung einer Person zu testen.

Gläserner Mitarbeiter und Fußballtrainer

Viele denken, durch so einen Persönlichkeitstest auf magische Weise in die (potenziellen) Mitarbeiter oder Kollegen hineinsehen zu können. Geheimnisse über deren Innenleben zu erfahren. Das ist in einem gewissen Maß auch möglich (so lange die Fragen ehrlich beantwortet werden). Es wird dabei aber oft eines vergessen: Persönlichkeitstests sind nicht dafür gemacht, um andere zu durchschauen oder deren Eignung zu beurteilen. Das ist nicht ihr Zweck.
Sie wurden dazu gemacht, um sich selbst und andere besser zu verstehen. Um Einsicht in die eigene Persönlichkeit und Motivationen zu bekommen. Um zu verstehen, warum Menschen sich so verhalten, wie sie es tun und welche Muster es dabei gibt. Eine Person die man gar nicht oder nur wenig kennt, anhand eines Testergebnisses zu beurteilen, ist wenig aufschlussreich. Es ist ungefähr genauso hilfreich, wie die Attraktivität einer Person einzuschätzen, von der man nie ein Foto gesehen hat, sondern nur Größe, Gewicht, Haar- und Augenfarbe kennt. Oder wenn ein Fußballtrainer einen Spieler nie spielen sieht und stattdessen rein anhand dessen Fitnessdaten unter Vertrag nimmt – wie schnell er rennen und wieviel Gewicht er heben kann. Doch diese Daten sagen nichts darüber aus, wie gut der Spieler Fußball spielen kann. Dazu muss der Trainer ihn spielen sehen oder sich über seine bisherigen Spiele informieren. Nur so kann er einen erfolgreichen Mitarbeiter finden. Den Verantwortlichen sollte klar sein: ein Persönlichkeitstest liefert bestenfalls (bei ehrlicher Beantwortung) Eckdaten zum Verhalten einer Person. Er kann uns vielleicht erklären wie jemand etwas macht, aber nicht, ob er es gut macht. Daher hat er als Einstellungs- oder Beurteilungskriterium wenig Wert. Denn entscheidend sollte immer die Qualifikation einer Person sein, aber darüber liefert ein Persönlichkeitstest keinerlei Angaben.

Der Nutzen von Persönlichkeitstests im Beruf

Persönlichkeitstests im Beruf sollten vor allem zu einem Zweck eingesetzt werden:

Um Testteilnehmern ein Werkzeug zur Hand zu geben, mit dem sie sich selbst und andere besser verstehen.

Dafür können die diversen Tests sehr hilfreich sein. Natürlich aber nur, wenn die Mitarbeiter dies auch wollen und einverstanden sind. Nur so kann mit ehrlichen Antworten gerechnet werden. Dann kann so ein Test auch wertvolle Einblicke in die Persönlichkeit geben und Anregungen für einen effektiveren Umgang mit sich selbst und anderen im Team bieten. Oder aufschlussreiche Tipps für die Karriere und weitere berufliche Entwicklung.

Was ein Persönlichkeitstest nicht kann, ist wie ein Röntgenapparat Menschen durchschauen, zu beurteilen oder gar auf- oder abzuwerten. In den Ethikrichtlinien der Verleger des MBTI – Tests wird z.B. eine Nutzung des Tests als Einstellungskriterium deutlich ausgeschlossen – denn dafür ist er nicht geeignet. Genauso wenig wie z.B. das System des Enneagramm oder DISG.
Auch die Big Five wurden dazu entwickelt um Menschen besser zu verstehen, nicht um sie negativ oder positiv zu beurteilen. Sie sagen zwar einiges über das Verhalten einer Person aus, sind aber genauso manipulierbar wie jeder andere Test auch.
Um jemanden zu beurteilen, bedarf es also vielmehr einer persönlichen Einschätzung der betreffenden Person und ihrer Qualifikationen im direkten Kontakt. Jemand mit guter Menschenkenntnis ist auch in der Lage, eine Person nach einer gewissen Weile grob in den Kategorien der Big Five oder auch des Typentest Persönlichkeitstest einzuschätzen. Aber darum sollte es nur aus dem Grund gehen, um die Zusammenarbeit zu verbessern oder um anderen eine Hilfestellung zu geben. Wenn Sie in Ihrem Unternehmen verantwortlich für den Einsatz von Persönlichkeitstests und Co. sind, denken Sie daran:

Ein Persönlichkeitstest taugt nicht zur Bewertung von Menschen. Er sagt nichts über Qualifikation oder Leistung eines Mitarbeiters aus.

Ein Persönlichkeitstest sollte dazu eingesetzt werden, das Verständnis für sich selbst und andere zu fördern und dadurch zu einem besseren Miteinander und im besten Fall auch besserer individueller Leistung zu gelangen.

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Bilder: Flickr -User Victor1558 & onesevenone

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2 Responses to Persönlichkeitstests im Job – Sinn oder Unsinn?

  1. Dieser Artikel spricht mir aus der Seele. Leider wird ein Test schnell instrumentalisiert und verleitet zur Fehleinschätzung.

  2. Timm Berger sagt:

    Aus meiner jahrelangen Erfahrung als Personalberater kann ich sagen: Erstens, wenn Persönlichkeitstests, dann nur solche, die bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllen. Die Fachleute sprechen von Validität und Reliabilität. Das hat die Grafik aus Wikipedia schön auf den Punkt gebracht (http://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Vergleich_DISG-Test_und_Sternzeichen.png).
    Zweitens haben die meisten Tests das Problem, dass sie auf Selbstbeschreibungen beruhen. Diese Subjektivität kann man nur überwinden, wenn man einen zweiten oder dritten Blickwinkel hinzuizieht, wie es zum Beispiel beim 360-Grad-Feedback der Fall ist. Bei den meisten validen Tests (z. B. BIP oder Big Five) ist das ohnehin vorgesehen.

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