Charaktere kreativ Schreiben mittels Big Five Persönlichkeitstest

Die Big Five der Persönlichkeit sind seit etwa 30 Jahren der Gold-Standard der wissenschaftlichen Persönlichkeitsforschung. Sie stellen die bedeutendsten Charaktereigenschaften dar, mit denen sich der Großteil unseres Verhaltens erklären lässt. Daher sind sie sehr gut dazu geeignet, um anhand von ihnen realistische Charaktere für Geschichten zu schreiben. Im Folgenden erkläre ich, wie das funktioniert.

Was jeder Charakter braucht: Interessant & Realistisch

Charaktere in Romanen und Geschichten müssen vor allem Eines sein: Interessant. Das werden sie durch kreative Ideen und nachvollziehbare Hintergrundgeschichten. Doch damit sie glaubhaft sind, müssen sie auch realistisch sein = Sich so verhalten, wie sich Menschen im echten Leben verhalten. Ihre Persönlichkeit sollte so aufgebaut sein wie die eines realen Menschen, mit nachvollziehbaren Stärken und Schwächen. Nicht wie die eines Superhelden oder eines klischeehaften Abziehbildes. Da kommt ein Persönlichkeitstest, der unser alltägliches Verhalten möglichst realitätsnah mit allen guten und schlechten Aspekten abbildet, gerade richtig: Die Big Five. Sehen wir uns erst an, wie sie funktionieren, bevor ich erkläre, wie man damit Charaktere lebensecht und spannend machen kann.

BIG FIVE Persönlichkeitseigenschaften Übersicht

  1. Extraversion
    Aktive Suche nach Aufregung, Aktivität, Geselligkeit und sozialen Kontakten.
  2. Offenheit für neue Erfahrungen
    Offenheit für Neues und Beschäftigung mit geistigen Themen.
  3. Verträglichkeit
    Rücksichtnahme auf andere und das Erhalten positiver Beziehungen.
  4. Gewissenhaftigkeit
    Kontrolliertes, zielsicheres und diszipliniertes Verhalten.
  5. Neurotizismus / emotionale Empfindlichkeit.
    Empfindlichkeit gegenüber negativen Einflüssen, Emotionen und Gedanken.

Ausführlicher zu den Big Five hier.

Jeder Mensch hat alle diese fünf Eigenschaften in sich. Sie werden auf einer Skala gemessen von extrem niedriger bis hin zu extrem hoher Ausprägung.

Person A ist äußert introvertiert, zurückhaltend und wahrscheinlich auch schüchtern. Person B ist ziemlich genau in der Balance in der Mitte, und Person C ist deutlich extrovertiert, aber nicht sehr stark.

Jeder Punkt auf der Skala ist möglich. Meist bleiben wir im Lauf unseres Lebens immer im ähnlichen Bereich, bewegen uns mal in die eine oder andere Richtung, aber wechseln nicht von einem Tag auf den anderen komplett die Position. Dennoch: Je nach Situation kann das Verhalten einer Person auch einmal deutlicher abweichen. Auch eine introvertierte Person kann auf einer Party aus sich herausgehen und eine extrovertierte Person kann mal eine Woche Ruhe brauchen, je nach Lebensumständen. IM SCHNITT wird das Verhalten jedoch immer in einem bestimmten Bereich liegen.

Wie du dir sicher schon gedacht hast, sind Charaktere mit extremen Ausprägungen in eine Richtung oft am interessantesten und auch sehr häufig in bekannten Klischees zu finden: Der mutige Held mit dicker Haut, ohne Angst und ohne emotionale Empfindlichkeit; Der krass extrovertierte Partylöwe der mit jeder Person gut kann; Der zerstreute Wissenschaftler mit extrem hoher Offenheit für Neues, der ein Genie in seinem Bereich ist, aber mit simplen Alltagsaufgaben nicht klarkommt. Solche Menschen gibt es tatsächlich. Diese Klischees sind in einem gewissen Rahmen realistisch. Doch wie häufig kommt es vor, dass eine Person solch extreme Ausprägungen hat? Zum Beispiel super gewissenhaft, pünktlich und perfektionistisch ist?

Diese Grafik, zeigt eine Normverteilung. Wie häufig bestimmte Ausprägungen auf der Skala einer Persönlichkeitseigenschaft vorkommen.

Die überwiegende Mehrheit aller Menschen befindet sich in der Mitte, der Balance einer Eigenschaft. Es gibt ebenfalls viele Menschen mit einer mehr oder weniger deutlichen Ausprägung in eine Richtung. Aber umso näher wir dem Rand kommen, desto weniger Menschen gibt es mit einer solchen Persönlichkeit. Dies gilt für alle Persönlichkeitseigenschaften der Big Five (und übrigens auch für die aller anderen Persönlichkeitstests: Die meisten Menschen befinden sich immer in der Mitte).

Eine Ausprägung wie Person A hat nur 1% aller Menschen oder noch weniger. Ca. 50% aller Menschen befinden sich in einem ähnlichen Bereich wie Person B. Die Position von Person C ist erheblich seltener, aber nicht so sehr, dass es ungewöhnlich wäre.

Charaktere realistisch machen

Charaktere sollten größtenteils in den mittleren Bereichen der Eigenschaften liegen, um realistisch zu wirken. Das heißt aber nicht, dass alle Menschen in der Balance sind. Die meisten Menschen tendieren durchaus bei ein oder zwei Eigenschaften stärker in eine Richtung, wenn auch eher selten in ein Extrem. Ich nenne das den Kapitän der Persönlichkeit. Die Charaktereigenschaft, die eine Person am meisten von anderen unterscheidet. Das kann z.B. sehr niedrige Verträglichkeit sein: Eine Person, die nur nach ihrem eigenen Nutzen handelt, allen anderen misstraut und der egal ist, wenn man sie dafür verachtet. Oder jemand der hohe Gewissenhaftigkeit hat, alles im Leben plant und kontrolliert. Sowie gleichzeitig niedrige Offenheit, dadurch ein sehr konservatives Weltbild, und deswegen nicht gewillt ist, sich auf Neues einzulassen. Diese Eigenschaften stechen heraus bei diesen Personen, setzen sie ab von der breiten Masse und dem Verhalten der meisten anderen Menschen. Auf diese Weise bestimmen sie einen großen Teil ihres Verhaltens, ihrer Motivationen und ihrer Interaktionen mit anderen. Sie machen sie interessant.

Am besten ist es, du konzentrierst dich beim Schreiben eines Charakters auf ein bis zwei Eigenschaften, die diesen besonders machen, die bei ihm stärker ausgeprägt sind wie bei anderen Menschen. Bei den anderen Eigenschaften lässt du die Figur in der Balance, im durchschnittlichen Bereich. Denn auch wenn es sie in äußerst kleiner Menge (weniger als eine Person aus einer Million) geben mag: Menschen mit ausschließlich extremen Eigenschaften sind nicht realistisch. Und: Selbst wenn jemand am äußersten Rand einer Skala zu verorten ist, hat er trotzdem beide Richtungen dieser Eigenschaften in sich. Selbst der Held mit maximal niedriger emotionaler Empfindlichkeit spürt in manchen Situationen Trauer, Angst oder Unsicherheit. Niemand ist ein lebendes Extrem, ein Mensch gewordenes Abziehbild. Ein Charakter, der nur eine Art von Verhalten kennt, ist vor allem Eines: Extrem unrealistisch.

Charaktere interessant machen

Um realistisch zu sein, macht der Partylöwe Partylöwen-Dinge und ist super gesprächig, der kooperative Teamplayer mit hoher Verträglichkeit macht Teamplayer Dinge und hilft anderen. Doch das wird schnell langweilig. Spannend werden Charaktere, wenn sie vor Konflikten stehen. Dinge lösen müssen, die sie nicht mit ihren bisherigen Fähigkeiten lösen können: Wenn der Partylöwe eben nicht mehr damit weiterkommt, sich aus einer Situation durch Sympathie herauszureden. Wenn Charaktere über sich hinauswachsen müssen. Dinge machen, die der Person nicht leicht fallen, die nicht der natürlichen Ausprägung ihrer Persönlichkeit entsprechen: Der nette Charakter mit hoher Verträglichkeit muss harte Entscheidungen treffen. Die verplante Chaotin muss ein geregeltes Leben führen. Der kleine Hobbit, der sein Leben lang nur den Komfort seiner Heimat kennt, muss sich auf eine neue Welt einlassen. Und schließlich der am meisten genutzte Konflikt, zu dem wir in unzähligen Geschichten mit fiebern: Der empfindliche, furchtsame Charakter muss über seine Angst hinauswachsen. Durch diese Konflikte entstehen spannende und lebensnahe Charaktere.

Wenn unterschiedliche Eigenschaften kollidieren

Ebenfalls eine unendliche Quelle für Konflikte ist es, wenn zwei sehr unterschiedliche Charaktere zusammentreffen: Die gewissenhafte Hermine Granger mit dem chaotischen Ron Weasley in Harry Potter. Der extrovertierte, emotionale Captain Kirk mit dem introvertierten, berechnenden Mr. Spock in Star Trek. Die Konflikte zwischen diesen Charakteren entstehen automatisch und es gibt unendlich viele dieser Kombinationen. Ein solcher Konflikt kann auch zwischen einer Person mit einer extremen Ausprägung – z.B. Ordnungswahn durch extreme hohe Gewissenhaftigkeit – und einer Person mit einer durchschnittlichen Ausprägung entstehen. Viel Spaß beim kreieren spannender Charaktere!

Ich hoffe, ich konnte dir beim Schreiben von realistischen Charakteren helfen. Teile gerne deine Gedanken und Meinungen zu dieser Vorgehensweise per Email oder in den Kommentaren.

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