Wie unsere Lebensgeschichte die Persönlichkeit beeinflusst

Die persönliche Lebensgeschichte – die narrative Identität

Menschen erzählen sich seit Anbeginn der Zeit Geschichten. Worum geht es darin? Um sie selbst und andere Menschen, was sie erleben und wie sie mit diesen Erlebnissen umgehen. Wir alle kennen die Lebensgeschichten von diversen Prominenten und Stars. Michael Jackson wurde von Kindheit an auf Popstar getrimmt, hatte großen Erfolg, aber auch schwer mit seinem Ruhm und dessen Folgen zu kämpfen. Angela Merkel begann ihre Karriere in den Wissenschaften, wechselte zur Politik, arbeitete sich über lange Jahre nach oben, wurde von vielen unterschätzt, übertrumpfte dennoch oder gerade deswegen ihre männlichen Kollegen durch ihre Beharrlichkeit, wurde schließlich zur ersten Bundeskanzlerin gewählt und ist eine der mächtigsten Personen der Welt geworden.

Unsere Lebensgeschichte enthält Hochs und Tiefs. Sie enthält lebensverändernde Ereignisse genauso wie graduelle Entwicklungen, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind, und das beeinflussen, was wir in Zukunft sein werden. Unsere Geschichte kann ganz viele Stationen beinhalten oder nur wenige, die uns aber dauerhaft begleiten. Das ist bei jedem Menschen individuell anders. Vielleicht gab es einschneidende Ereignisse in Ihrem Leben, die Sie nachhaltig geprägt haben? Vielleicht wurden Sie von den Umständen dahin getrieben, wo Sie jetzt sind? Vielleicht haben Sie auch lange darauf hingearbeitet bzw. arbeiten immer noch an Ihren Lebenszielen? Oder vielleicht haben Sie sich einfach nur treiben lassen? Nicht jede Lebensgeschichte ist so schillernd und voller großer Ereignisse wie die eines Michael Jackson oder einer Angela Merkel. Aber dennoch hat jeder von uns seine ganz persönliche, interessante Geschichte zu erzählen. Voll mit Erlebnissen, Personen, Erfahrungen und Zielen, die unser Bild von uns selbst prägen

In unserer Lebensgeschichte kommt alles zusammen – unsere Persönlichkeitseigenschaften (wie mit dem Typentest eingeschätzt), Geschlechterrollen, Kultur, Fähigkeiten, persönlichen Anpassungen und Strategien, Erlebnisse, Lebensziele, Erfahrungen und die verschiedenen sozialen Rollen, die wir im Leben einnehmen: Mutter, Vater, Bruder, Tochter, Freundin, Anführer, Spaßmacher, Vorbild usw. In unserer Geschichte sind all diese Dinge vereint und zeigen den Weg auf, den wir bisher gegangen sind. Sie kann erklären, warum wir dort sind, wo wir heute stehen, und uns wichtige Anregungen für eine zukünftige Entwicklung geben. In der Psychologie kennt man dieses Konzept auch als Individuation, also als Ich-Werdung. Unsere Lebensgeschichte lässt uns nachvollziehen, wer wir sind und warum wir es sind. Es geht dabei nicht um den schnöden Lebenslauf mit Schule und Arbeitsstellen, sondern um das, was uns wirklich beeinflusst hat und zu der Person werden ließ, die wir sind. Sie zeigt uns, wie wir uns und unser Leben sehen: unsere Identität.

Unsere grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften sind Teil dieser Geschichte. Sie beeinflussen, in welche Richtung wir uns bewegen, und sie werden ihrerseits auch von unserer Geschichte beeinflusst. Dieser Einfluss auf unsere Persönlichkeit ist aber nicht so stark, wie wir manchmal denken. Denn wie Zwillingsstudien zeigen, ist unsere Persönlichkeit größtenteils in unseren Genen verankert. Dennoch entwickelt sich dieser Ausgangspunkt durch unsere persönliche Lebensgeschichte in die eine oder andere Richtung. Wir werden zum Beispiel spontaner oder geplanter durch bestimmte, prägende Ereignisse oder durch veränderte Anforderungen, die unsere Umwelt an uns stellt.

Wie wir unsere persönliche Lebensgeschichte erzählen, verändert sich meist im Lauf der Zeit, da wir zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unserem Leben unterschiedliche Ereignisse als besonders wichtig oder einflussreich betrachten oder verschiedene soziale Rollen erfüllen. Der Schulabschluss, die erste Arbeitsstelle oder die erste feste Beziehung können entscheidende Ereignisse in unserem Leben werden – oder nur einer von ganz vielen Schritten auf unserem Weg. Wir beschreiten den Weg des Lebens, verändern uns dabei und passen uns und den Weg entsprechend an. Unsere Geschichte verbindet die Vergangenheit mit der Gegenwart und lässt uns vage die Zukunft erahnen. Was darin passiert und wie wir sie erzählen, sagt viel über uns aus: Vielleicht ist sie von vielen negativen Ereignissen geprägt, denen wir aber immer auch etwas Positives abgewinnen konnten. Vielleicht begrüßen oder bedauern wir es, wie sich bestimmte Dinge entwickelt haben. Vielleicht ist diese Geschichte sehr konstant und geradlinig, vielleicht aber auch voller Kurven, Wendungen und Veränderungen, voller Berge und Täler, Niederlagen und Erfolge. Vielleicht ist sie stark von äußeren Faktoren beeinflusst, z. B. unserer Arbeit, unserem Fußballklub oder dem Lottogewinn, auf den wir schon immer warten, der aber nie kommt. Vielleicht geht es darin gar nicht so sehr um uns, sondern hauptsächlich um die uns nahestehenden Menschen. Jede Lebensgeschichte ist einzigartig. Was ist Ihre?

Studien haben gezeigt, dass das Aufschreiben unserer Lebensgeschichte sich positiv auf unsere Lebensqualität und unsere Gesundheit auswirken kann. Besonders dann, wenn wir damit negative und emotional belastende Ereignisse aufarbeiten und etwas Positives darin finden können. In jedem Fall können Sie dabei einiges über sich selbst und Ihre Geschichte lernen.

Quellen:
James W. Pennebaker, Janel D. Seagal: Forming a story: The health benefits of narrative. Journal of Clinical Psychology 1999
Dan P. McAdams: Personal Narratives and the Life Story. In: Handbook of Personality Theory and Research 3rd Ed., The Guilford Press 2008

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