Es treten gegeneinander an: das wissenschaftliche Modell der Big Five gegen den populären MBTI.
Wer hat die schlagkräftigeren Argumente? Das klärt die Gegenüberstellung in 3 knallhart ehrlichen Runden: Grundlagen, Praxistauglichkeit & Beliebtheit.
Der Vergleich von verschiedenen Persönlichkeitsmodellen ist eigentlich eine recht trockene Angelegenheit: Statistiken hier, Expertenmeinungen da, subjektives Empfinden dort. Doch heute lassen wir zwei der bekanntesten Persönlichkeitsmodelle in einem fiktiven Boxkampf gegeneinander antreten, der dies wesentlich unterhaltsamer macht – und nebenbei die Unterschiede der beiden sehr anschaulich erklärt.
Der Ring
Bei Big Five und MBTI geht es um das Gleiche: unsere Persönlichkeit. Beide haben aber unterschiedliche Auffassungen davon, wie sie funktioniert: der MBTI setzt auf klar getrennte, unflexible Typen (im Endeffekt Schubladen), die Big Five auf sehr flexible Faktoren (also eine fortlaufende Skala wie bei einem Thermometer oder Tacho). Trotz ihrer verschiedenen Konzepte sind die Beschreibungen unserer Persönlichkeit bei beiden sehr ähnlich und stimmen zu großen Teilen überein (siehe Big Five).
In der linken Ecke:
Die BIG FIVE. Liebling der Wissenschaft & Gegenstand tausender Studien. 5 variable Persönlichkeitsdimensionen. Rund um die Welt unangefochtene Nummer 1 der Persönlichkeitsforschung. Aber unbeliebt bei den Massen aufgrund ihrer teils negativen Beschreibungen der Persönlichkeit. Der Bad Boy.
In der rechten Ecke:
Der MBTI (Myers Briggs TypIndikator). Liebling der Massen. 16 klar getrennte Typen. Grundlagen in der psychologischen Theorie, nicht der Wissenschaft. Beliebt bei Laien und Coaches aufgrund seiner positiven Beschreibungen der Persönlichkeit. Große, teils fanatische Anhängerschaft in den USA, aber verpönt in der der Forschung. Der Sunnyboy.
Runde 1 – Grundlagen
Der MBTI hält sich eng an die Theorie der psychologischen Typen Carl Gustav Jungs von 1921 und ist daher schon lange im Spiel. Jedoch zu lange ohne Veränderung. In knapp 90 Jahren hat sich viel getan, und die Theorien des MBTI sind heute schon sehr veraltet und angestaubt – da haben auch einige leichte Anpassungen über die Jahre hinweg nicht viel dran rütteln können. Die Big Five erstrahlen dagegen in neuem Glanz. Die Idee dahinter ist zwar auch schon älter, aber konkret ausformuliert wurde sie erst in den 80er Jahren. Vor allem werden sie aber konstant weiter erforscht und – im Gegensatz zum MBTI, der seit jeher auf der Stelle tritt – ständig aktuellen Erkenntnissen angepasst. Das schlagende Argument ist hier aber ganz klar die Wissenschaft: die Big Five wurden in tausenden Studien (keine Übertreibung, es sind wirklich Tausende!) zur Persönlichkeit eingesetzt, gelten seit mehr als 20 Jahren als DER Standard in der Persönlichkeitsforschung. Sie sind dort ähnlich dominant wie Google im Bereich der Suchmaschinen: zwar gibt es noch andere, aber die interessieren so gut wie niemanden. Denn es ist ganz klar ersichtlich, was das beste Modell in diesem Bereich ist, mit dem sich nahezu alles erklären lässt: die Big Five. Beim MBTI dagegen werden die Theorien hauptsächlich damit begründet „weil Jung es so geschrieben hat“, was natürlich kein gültiges Argument ist, denn Jungs Arbeiten von 1921 waren alles andere als wissenschaftlich. Zwar gibt es zum MBTI auch Studien, allerdings fielen diese meist nicht allzu positiv aus, und in der Wissenschaft wird er allein aufgrund des Konzepts der 16 Typen nur belächelt.
Daher klarer Punktesieg an die Big Five und fast schon ein vorzeitiges KO für den MBTI.
(Kleiner Hinweis zum Vergleich: gegen die meisten anderen Persönlichkeitsmodelle, z.B. Reiss Profile, Enneagramm oder DISG, hätte der MBTI in dieser Rubrik gute Chancen auf einen Sieg oder zumindest ein Unentschieden, denn seine Grundlagen und statistischen Werte für Aussagekraft und Verlässlichkeit sind durchschnittlich bis gut. Aber eben bei weitem nicht so überragend wie die der Big Five. Wo der MBTI 60% hat, haben sie 90%. Außerdem geht es nicht nur um den Test an sich, sondern auch um die Glaubhaftigkeit und internationale fachliche Anerkennung der Theorie – und da versagt der MBTI gnadenlos gegen die Big Five – wenn auch vielleicht nicht gegen andere Tests.)
Runde 2 – Praxistauglichkeit
In dieser Runde haben beide Kontrahenten sehr unterschiedliche Argumente vorzubringen. Hier stehen tausende Studien zu wichtigen, alltäglichen und teils auch kuriosen Themen auf der Seite der Big Five gegen mehr als hundert praxisorientierte Ratgeberbücher für Laien (in den USA) und eine vielfache Anwendung im Coaching und der Beratung (ebenfalls hauptsächlich in den USA) auf der Seite des MBTI.
Was ist uns lieber: das gesunde, etwas fade Gemüse oder der saftige, ungesunde Burger? Beim MBTI nimmt man es nicht so genau, ob etwas nachweisbare Grundlagen hat, Hauptsache es bietet eine positive Einstellung und einen Nutzen im Alltag. Bei den Big Five geht es dagegen ausschließlich um harte Fakten, die sich aber oft nicht auf den Alltag umsetzen lassen und auch nicht immer positive Ergebnisse mit sich bringen. Während der MBTI also unzählige Tipps für den Umgang mit Typen und Alltag liefert – die allerdings oft nur oberflächlich sind – liefern die Big Five so gut wie keine Hilfestellungen, was denn nun mit dieser oder jener Persönlichkeitseigenschaft anzustellen ist. Dafür bringen sie uns unzählige verlässliche Forschungsergebnisse über unser Verhalten im Labor und im Alltag – wo in der MBTI-Literatur größtenteils nur Mutmaßungen angestellt werden, die oft nicht mit der Realität übereinstimmen, dafür aber sympathisch und positiv beschrieben sind. Es ist gewissermaßen ein Kampf von harter Realität gegen schönen Glamour. Was uns lieber ist (eine Mischung aus beidem wäre perfekt!), ist dabei Geschmackssache und wahrscheinlich bei jedem anders. So lässt sich diese Runde also nicht entscheiden.
Es gibt allerdings noch ein Ass im Ärmel der Big Five: das ist die Persönlichkeitseigenschaft des Neurotizismus, also der emotionalen Empfindlichkeit. Die ist ein entscheidender Bestandteil unserer Persönlichkeit, der viele Dinge beeinflusst und vor allem bei Persönlichkeitsstörungen und in der klinischen Diagnostik eine wichtige Rolle spielt. Im Konzept des MBTI jedoch komplett fehlt. Ein klarer Treffer für die Big Five also. Ein weiterer Vorteil auf deren Seite sind die Big Five Facetten: jede der 5 Dimensionen wird in 6 Unterkategorien geteilt, wodurch sich unsere Persönlichkeit sehr genau im Detail beschreiben lässt. Die Theorie des MBTI sieht dagegen nur die breiten Eigenschaften ohne Unterteilungen vor – was ihn allerdings auch leichter verständlich macht.
Eigentlich wäre diese Runde aufgrund sehr unterschiedlicher Argumente für beide Seiten (Forschungsergebnisse vs. leichte Praxisanwendbarkeit) Geschmackssache, aber aufgrund des Fehlens der Dimension des Neurotizismus beim MBTI is dies wieder ein Sieg für die Big Five.
Runde 3 – Beliebtheit
Die Big Five sind zwar treffend, aber nicht gerade positiv in der Beschreibung unserer Persönlichkeit. Sie zeigen eine harsche und oft negative, man könnte aber auch sagen realistische Darstellung unserer Persönlichkeit. Sie klatschen einem die harte Realität direkt ins Gesicht. Und zwar zu hart. Holt z.B. ein Introvertierter beim MBTI seine Energie einfach mehr aus seinen Gedanken und Aktionen und hört lieber zu als selbst zu sprechen, so ist ein Introvertierter bei den Big Five vornehmlich nicht kontaktfreudig, nicht fröhlich, nicht gesellig, schüchtern, … kurz: nicht extrovertiert. Wer beim Test auf der extrovertierten Seite landet, für den mag das Ok sein, aber wer auf der introvertierten Seite landet, der fühlt sich schnell etwas deprimiert bei einem solchen Ergebnis des nicht… Ähnlich negativ geht es auch bei den anderen 4 Dimensionen der Big Five zu. Wer z.B. niedrige Gewissenhaftigkeit hat, ist nicht verlässlich, nicht pflichtbewusst, nicht ordentlich, neigt zu Prokrastination, usw.. Bei der Sympathie hat der MBTI entsprechend klar die Nase vorn. Denn er ist geprägt von durchwegs positiven Beschreibungen der Typen und Persönlichkeitseigenschaften. Allem lässt sich etwas Gutes abgewinnen, jeder Mensch hat deutliche Stärken. Die Eingrenzung von Menschen auf 16 Typenschubladen schreckt zwar so Manchen auch ab, die Meisten spricht jedoch eben gerade diese simple, klare und positive Unterteilung an. Es macht die in Wirklichkeit sehr komplexe Persönlichkeit durch übertriebene Vereinfachung ganz leicht verständlich. Sich mit den 16 Typen zu beschäftigen und andere einzuschätzen ist sehr unterhaltsam und kann jede Menge Spaß machen – etwas, dass man von den Big Five aufgrund ihrer oft negativen Beschreibungen eher selten behaupten kann.
Daher in dieser letzten Runde ein deutlicher Sieg für den MBTI. Wobei so Mancher trotzdem die harte, ehrliche Darstellung der Persönlichkeit in den Big Five vorziehen wird.
Das Ergebnis
Runde 1 der Grundlagen geht sehr deutlich an die Big Five aufgrund der wissenschaftlichen Überlegenheit.
Runde 2 der Praxistauglichkeit geht knapp an die Big Five aufgrund der weitreichenden Forschungsergebnisse und der umfangreicheren Beschreibung der Persönlichkeit.
Runde 3 geht der Beliebtheit an den MBTI, da dieser eine deutlich positivere Einstellung zur Persönlichkeit bietet.
Der Gewinner des Persönlichkeitsboxens: die Big Five.
Dennoch: für die Meisten bleibt es Geschmackssache, denn beide Modelle haben ihre Vor- und Nachteile. Beim Typentest Persönlichkeitstest versuche ich daher, die Vorteile beider Systeme miteinander zu vereinen: wissenschaftliche Erkenntnisse auf Basis harter Fakten & ein positiver Blick auf die Persönlichkeit mittels leicht verständlicher Typen.
Das wird auch im kommenden Typentest-Buch umgesetzt, während die Webseite derzeit Stück für Stück erneuert wird, um schlussendlich das Beste von beiden Seiten bieten zu können.
Ein netter Test. Das der BIG5 gewinnt ist klar. Dennoch ist das Modell des MBTI eindeutig das einfachere und für mich das Beste, insbesondere um Menschen im Groben zu verstehen.
M.E. ist aber das vielleicht größte Problem den Menschen im Allgemeinen, hier in Deutschland oder auch weltweit, klarzumachen das die unterschiedlichen Verhaltensausprägungen (NT,NF,SJ,SP) per se „gut“ sind. Das Modell des MBTI ist m.E. so etwas wie der „Code Civil“ Napoleons und sollte „gesamtgellschaftlich“ verstanden werden müssen. Partnerbörsen nutzen das Instrument, insbesondere BIG5, schon heute – die wichtige Frage ist aber: Verstehen die Nutzer dieses Modell überhaupt? Ist den Nutzern klar wen sie suchen bzw. wer sie sind? Ich treffe immer noch Leute die z.B. mit „NT“lern Schwierigkeiten haben, warum ist das so? Warum akzeptieren diese Leute „andere“ nicht? Hier liegt ein grobes Bildungsproblem vor.
Ich glaube das ist ein ganz allgemeines Problem, dass gar nicht nur auf die Persönlichkeit beschränkt ist: Toleranz. Es fällt einfach schwer, Menschen und Dinge zu verstehen, die ganz anders sind als man selbst oder ganz anders als man es gewohnt ist. Schließlich denken viele Menschen, ihr Weg ist der einzig Richtige, dabei gibt es viele Wege ans Ziel.
Schöner Beitrag, tolle Seite und eine wichtige „Mission“, mit der Sie da unterwegs sind: Ansätze dort vereinen, wo sie kompatibel sind und das Gesamtbild mit dem Forschungsstand abzugleichen bzw. von Schüssen über das Ziel hinaus abzugrenzen!