Laut einer deutschen Studie* von 2012 sind Künstler glücklicher und zufriedener mit ihrem Job als die meisten anderen Menschen.
Trotz aller aktueller Debatten um das Urheberrecht, oft geringen Gehältern, Unterbeschäftigung und unsicheren Arbeitsverhältnissen.
Denn Künstler ziehen laut der Studie Befriedigung aus ihrer Arbeit selbst und nicht nur aus dem Ergebnis ihrer Arbeit. Sie sind glücklicher, umso mehr Zeit sie mit ihrer Arbeit verbringen, da die Arbeit sie glücklich macht und erfüllt. Für sie ist der Weg das Ziel. Also die Arbeit selbst, nicht der Verdienst. Dies fällt den meisten normalen Arbeitnehmern verständlicherweise schwer.
„Im Gegensatz zu anderen Berufstätigen sind Künstler umso glücklicher mit ihrer Arbeit, je mehr Stunden sie wöchentlich arbeiten“
Sagt Lasse Steiner, einer der beiden Macher der Studie.
Dabei verdienen Künstler im Schnitt weniger als andere. Mehr noch: wenn sie ihre Arbeit (falls möglich) in nicht-künstlerischen Bereichen, z.B. in der freien Wirtschaft, anbieten, würden sie laut einer australischen Studie* dort mehr verdienen als mit ihrer Arbeit als Künstler. Doch Geld ist ihnen in den meisten Fällen nicht so wichtig, wenn sie sie sich mit ihrer Arbeit künstlerisch betätigen können. Künstler ziehen ihren Lohn quasi aus der Befriedigung der Arbeit an sich, weshalb es ihnen nicht so viel ausmacht, dass sie weniger dafür bekommen.
Ein weiterer Grund für die glücklichen Künstler ist, dass 40% aller Künstler selbstständig sind, also selbstbestimmter arbeiten können als in anderen Berufen üblich. In vorherigen Studien* hat sich bereits gezeigt, dass Selbstständige generell zufriedener mit ihrem Job sind als Angestellte, da sie unabhängiger sind.
Künstler haben mehr Abwechslung und lernen doppelt so viel Neues
Eine Frage nach abwechslungsreicher Arbeit in der deutschen Studie beantworteten erheblich mehr Künstler mit Ja als Nicht-Künstler. Ebenfalls erstaunlich: Künstler lernen im Job doppelt so häufig neue Fähigkeiten als andere Berufstätige. Sie setzen mehr verschiedene Fähigkeiten ein und haben weniger Routine und Langeweile.
Hier lässt sich eine deutliche Parallele zur Big Five Persönlichkeitseigenschaft Offenheit für neue Erfahrungen ziehen (=im Typentest Persönlichkeitstest die Eigenschaft Theoretisch), die für intellektuelle Neugier, Kreativität und vielseitige kulturelle Interessen steht. Offensichtlich haben Künstler eine überdurchschnittlich hohe Ausprägung bei der Offenheit für neue Erfahrungen.
Zu alledem kommt im Falle eines erfolgreichen Künstlers oder eines vor Publikum arbeitenden Künstlers (z.B. Komiker oder Musiker) noch eine hohe gesellschaftliche Anerkennung und Bestätigung für ihre Arbeit.
Hintergrund: nur 1% aller Berufstätigen sind Künstler
Befragt wurden bei der Studie 28.000 Berufstätige in Deutschland, darunter mehr als 300 Künstler (hauptberuflich künstlerisch Tätige machen allgemein nur ca. 1% der Berufstätigen aus). Unter anderem gaben alle auf einer Skala von 1-10 an, wie zufrieden sie mit ihrem Beruf sind. Künstler waren dabei im Schnitt wesentlich zufriedener als andere Berufstätige.
Als Künstler zählten Autoren und Journalisten, Fotografen, Maler, Musiker, Sänger und Komponisten, Tänzer, Artisten, Schauspieler und andere künstlerisch bei Film, Fernsehen oder Theater Beschäftigte, usw.
Nicht berücksichtigt wurden solche Künstler, die nichts oder nur wenig mit ihrer Arbeit verdienen, z.B. Straßenmusikanten oder Blogschreiber. Bei diesen dürfte sowieso klar sein, dass sie ihre Tätigkeit mehr wegen der Befriedigung durch die Tätigkeit selbst machen, und nicht nur wegen dem finanziellen Ergebnis.
Was können wir von Künstlern lernen?
Wer jetzt gleich losziehen und Künstler werden will, sei gewarnt: die meisten Künstler verdienen mit ihrer Kunst nicht genug, um davon zu leben und haben noch einen weiteren Job, der ihnen den Lebensunterhalt sichert. Zudem gibt es im künstlerischen Bereich weit mehr Interessierte als Jobs.
Wie können wir also mehr Kunst, Kreativität und Innovation in die eigene Arbeit, in einen nicht-künstlerischen Job bringen?
- Selbstbestimmung:
Besonders in kleineren Firmen ist mehr Selbstbestimmung möglich, bei großen Konzernen in denen alles standardisiert und geregelt ist, ist dies natürlich schwerer. Erkundigen Sie sich, in wie weit z.B. flexible Arbeitszeiten oder freie Arbeitseinteilung möglich ist. - Kreativität einbringen:
Bringen Sie sich ein. Wie könnte man Arbeitsabläufe verbessern, was könnte man ändern? Gibt es in Ihrer Firma eine Anlaufstelle für Ideen und Verbesserungsvorschläge? Wenn nicht, machen Sie den Vorschlag, eine solche Stelle oder eine Art Postkasten einzurichten.
Wenn möglich, gestalten Sie Ihren Arbeitsplatz kreativ nach Ihren Vorstellungen, bringen Sie sich bei Betriebsfeiern oder anderen Aktivitäten mit Ideen ein. Ein Tipp dazu vom Artikel letzte Woche: Grün macht kreativ!. - Neues lernen:
Bilden Sie sich fort, lernen Sie etwas Neues dazu. Fragen Sie nach, ob Ihre Firma Bildungsmaßnahmen anbietet. Wenn nicht, lernen Sie privat neue Fähigkeiten die Sie interessieren, egal ob diese mit Ihrem Job zusammenhängen oder nicht. - Nicht nur aufs Geld schauen:
Kaum einer bereut es am Ende seines Lebens, nicht genug Geld verdient zu haben. Stattdessen bereuen wir am meisten, nicht unseren Wünschen und Träumen nachgegangen zu sein und zu viel gearbeitet zu haben (siehe dazu Artikel Was wir bereuen, wenn wir sterben, im Blog Geist & Gegenwart).
Wir sollten den Job, bzw. den Beruf oder den Arbeitgeber daher nicht nur nach der Bezahlung auswählen. Wichtiger sind die Fragen: bei welcher Firma und in welchem Job bin ich am zufriedensten? Welche Arbeit bereitet mir Freude? Wo sind die Rahmenbedingungen (abgesehen vom Gehalt) am Besten? Wer bietet die gewünschte Selbstbestimmung (z.B. flexible Arbeitszeiten) und Zukunftschancen? - Den richtigen Arbeitgeber wählen:
„Arbeite nicht für Dummköpfe….
… denn es hat keinen Wert. Weniger bezahlt bekommen und für Leute zu arbeiten die man mag und an die man glaubt ist langfristig viel besser für dich (und deine Karriere).“
– Mythbuster Adam Savage, ebenfalls ein Künstler, in einer Rede vor Collegeabsolventen.
Jeder kann sein eigener Künstler sein
Wer sich im Beruf gerne künstlerisch betätigen möchte, aber es nicht kann, hat dennoch die Möglichkeit, sich privat kreativ zu betätigen. Denn wie wir aus der deutschen Studie gesehen haben, geht es dabei nicht so sehr um das Ergebnis, sondern vor allem um die persönliche Befriedigung durch die künstlerische Arbeit. Und die kann jeder finden, egal ob durch Musik, Schreiben, Malen, Fotografieren, Kochen, im Garten oder wasauchimmer Freude bereitet.
Werden Sie Ihr eigener Künstler!
*Quellen:
– The Happy Artist?: An Empirical Application of the Work-Preference Model; Lasse Steiner, Lucian Schneider 2012, http://diw.de/soep
– A Work-Preference Model of Artist Behavior, Throsby D, 1994 und Folgestudien
– Being independent raises happiness at work, Matthias Benz; Bruno S. Frey, 2004
Ähnliches Thema: Berufstest, Resilienz, Nerds, Prokrastination, Persönlichkeitsstörungen
Als Musikpädagoge kann ich künstlerisch tätig sein. Nebenbei spiele ich gelegentlich in Orchestern. Der Orchestermusiker ist in meinen Augen unfrei, dazu verurteilt, einem anderen künstler zu dienen. Was nutzt es da, vor Publikum zu treten?
Mein Ziel als Pädagoge ist es, den Künster in jedem Kind zu wecken!
Dabei bin ich ebenso kreativ wie die Schüler selbst.
Es stimmt, es ist wirklich schade, wenn ein Schüler absagt und ich nicht arbeiten darf.