Der Mbti (Myers Briggs Type Indicator) – eine der Grundlagen des Typentest Persönlichkeitstest – wird in den USA millionenfach angewandt und ist dort sehr bekannt. Vor allem in Firmen, Schulen und zur Berufsberatung wird er dort regelmäßig eingesetzt. Es sind über die letzten 30 Jahre ca. 100(!) englischsprachige Bücher zum Thema Mbti, Typologie und Co. erschienen.
Trotzdem kennen den Mbti in Deutschland die Allerwenigsten. Das wissenschaftliche Modell der Big Five ist hierzulande wesentlich bekannter.
Woran liegt das?
1. Fehlende Eindeutschung & Übersetzung des Mbti
Im offiziellen deutschen Mbti werden statt eiegner deutscher überall die originalen englischen Begriffe benützt, z.B. „Sensing“, „Feeling“ oder „Perceiving“ (Deutsch-Englisch Tabelle).
Für die meisten Deutschen sind diese englischen Begriffe allerdings nur schwer oder gar nicht verständlich. Denn in der direkten Übersetzung ins Deutsche machen einige dieser Begriffe nur wenig Sinn, z.B. lässt sich „Sensing“ u.a. mit spüren, wahrnehmen und fühlen übersetzen, „Feeling“ heißt übersetzt aber auch fühlen, und „Perceiving“ auch wahrnehmen. Verwirrung vorprogrammiert. Das erschwert das Verständnis des zu Grunde liegenden Systems natürlich enorm.
Die Verwendung englischer Begriffe hat den einen Vorteil, das international überall die gleichen englischen Typenkürzel verwendet werden. Aber das wiegt meiner Meinung nach den Nachteil der schlechten Verständlichkeit im Deutschen nicht auf. Bei den Big Five hat man diesen Fehler nicht gemacht und alle Faktoren entsprechend eingedeutscht.
Dazu kommt, dass es von den Unmengen an englischer Literatur zum Mbti nur ein winziger Bruchteil ins Deutsche geschafft hat: von den ca. 100 Büchern die es in den USA zu Mbti und Co. gibt, wurden gerade einmal zwei ins Deutsche übersetzt: das erste von David Keirsey und das erste von Barron-Tieger . Da diese Bücher am deutschen Markt nicht allzu erfolgreich waren (die Übersetzung von Keirseys Buch ist schlecht, das von BT hat auch im Deutschen einen englischen Titel und beide Bücher verwenden die englischen Begriffe, siehe oben), sind keine weiteren Übersetzungen gefolgt. Wer kein gutes Englisch kann, muss sich also mit den spärlichen, oft ungenügenden deutschen Quellen begnügen, für die aufgrund der vielen englischen Begriffe allerdings auch englisch erforderlich ist…
Da das System sowieso recht komplex ist (und oft durch die veralteten Funktionen C.G. Jungs noch weiter verkompliziert wird), ist die Einstiegshürde für Deutsche damit viel zu hoch. Kein Wunder also das sich hierzulande kaum jemand damit befasst.
2. Die elitäre Struktur des Mbti
In Deutschland wird der Myers Briggs Test fast ausschließlich im Coaching-Bereich von Firmen vertrieben. Darüber hinaus ist er so gut wie gar nicht präsent. Das liegt zum großen Teil daran, dass die ganze Vermarktung nur auf den Firmenbereich abzielt, und das man für einen originalen, lizenzierten Mbti-Test in der Regel über 100 Euro zahlt. Jedoch ist außerhalb des beruflichen Bereiches kaum jemand bereit so viel Geld für einen Persönlichkeitstest auszugeben. Erst recht nicht, wenn man noch nie davon gehört hat.
Big Five Tests oder Berufstests findet man dagegen vielerorts kostenlos oder günstiger.
Einer der Gründe warum der Typentest kostenlos ist: damit JEDER Zugang dazu hat.
3. Mangelndes Interesse der Deutschen
Über diesen Punkt kann man streiten, eventuell spielt er auch gar keine allzu große Rolle: der typische Deutsche lässt sich eher von Fakten beeindrucken als von Persönlichkeitstests und Theorien.
Ok, das ist etwas verallgemeinert und übertrieben, aber in den USA sind z.B. Selbsthilfebücher und Ratgeber aller Art wesentlich häufiger auf den Bestsellerlisten zu finden als hierzulande. Da Persönlichkeitstests und Co. auch in diese Kategorie fallen, sind diese in den USA ebenfalls beliebter als hier. Das einzige was hierzulande halbwegs bekannt ist, ist das Enneagramm, so wie im Business-Bereich der Disg Test und das Reiss-Profile.
Komisch eigentlich, wurde doch die Psychoanalyse und auch die daraus entstandene Typologie maßgeblich von unseren österreichischen Nachbarn geprägt, namentlich Sigmund Freud und C.G. Jung.
Nun stellt sich die Frage: Wird der Original-Mbti hierzulande jemals größere Bekanntheit erlangen als bisher? Ich sage NEIN. Der Mbti hat es in den letzten 30 Jahren nicht geschafft in Deutschland Fuß zu fassen, unabhängig von dem Erfolg in den USA und anderswo. Daher kann man davon auszugehen, dass sich auch in Zukunft nichts daran ändern wird. Die Big Five sind im Vergleich dazu in in Deutschland mittlerweile wesentlich bekannter und vor allem auch wissenschaftlich anerkannt.
Zusammengefasst sind die Gründe für die fehlende Bekanntheit des Mbti:
– fehlende Eindeutschung
– wenig deutschsprachiges Material
– kein einfacher, kostenloser Einstieg möglich
All das versucht der Typentest besser zu machen: es gibt eigene deutsche Begriffe, er ist so einfach wie möglich und vor allem kostenlos (wenn auch bei weitem nicht perfekt, aber schließlich ist er bisher auch nur ein Hobby von mir).
Weitere Gedanken zum Thema oder eure eigenen Theorien sind im Kommentarbereich wie immer erwünscht!
Ähnlicher Artikel: Persönlichkeitsboxen: Big Five vs. MBTI
Socionics:
Der Vollständigkeit halber sei hier das russische – Mbti-baugleiche – Socionics/Sozionik System auch erwähnt: da Socionics in Deutschland so gut wie GAR KEINE Bekanntheit hat (noch sehr viel weniger als der Mbti), es so gut wie kein deutschsprachiges Material gibt und die vielen abgehobenen Theorien mit denen in Socionics gearbeitet wird nach wie vor noch nicht einmal ansatzweise durch Studien nachgewiesen wurden (eher indirekt widerlegt durch diverses im Rahmen der Big Five), wird es für dieses System sicher nie einen Durchbruch geben.
Ich glaube nicht, dass nur „Deutsche“ an Fakten interessiert sind 🙂
Der psychoanalytische Ansatz (Freud und Jung) der dem MBTI zugrunde liegt, hat die Schwäche der wissenschaftlichen Überprüfbarkeit. Ich befürchte, solange das riesige Reich des Unbewussten sich nicht empirisch erfassen lässt, die rationale Welt damit nicht viel anfangen kann.
Persönlich komme ich gut mit den amerikanischen Ausdrücken klar, weil sie zum Teil näher an meine Vorstellung ran kommen. Ich empfinde mich z.B. als intuitiv wahrnehmenden Menschen. Bei Typentest ist das der theoretisch denkende Mensch. Die Begriffe haben für mich deutlich andere Schwingungen. Andererseits spielen diese Unterschiede keine Rolle, wenn man sich vertiefter mit der Materie auseinander setzt.
Der psychoanalytische Ansatz geht davon aus, dass mit der Wirklichkeit unvereinbare Gedanken, Wahrnehmung, Antriebe und Affekte ins Unbewusste verdrängt werden. Da sind wir dann auch schon bei der Schwäche von der Big Five. Es werden letztlich bewusste Tatsachen beschrieben und der Bezug zu der riesigen Welt des Unbewussten fehlt natrugemäss. Eben weil die Welt des Unbewussten sehr komplex ist, lässt sie sich wissenschaftlich nur sehr schwer erfassen. Es wurden bis dato erst einer oder zwei Abwehrmechanismen wissenschaftlich bestätigt. Da braucht es noch Jahre, bis die Wissenschaft mit solchen Sachen umgehen kann. Bei C. G. Jung spielt das kollektive Unbewusste selbst auch eine grosse Rolle und da sind wir dann auf einem Bereich angelangt, der sich wohl der Wissenschaftlichkeit auf immer und ewig verschliessen wird.
Trotz Offenheit verspüre auch ich den Wunsch nach Objektivität. Es wäre sehr schön, wenn die Psychologie mehr tiefenpsychologisch als behavioristisch forschen würde. Es ist einfach schade, dass die vielen tollen Ansätze des letzten Jahrhunderts ein Mauerblümchendasein fristen. Gerade in den 60er und 70er entstanden ungemein kreative Weiterentwicklungen von Freud, Jung und Reich, die kaum einer kennt.
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