Lassen sich Deutsche in 3 Persönlichkeitstypen einteilen?

Laut einer aktuellen Studie lässt sich die Persönlichkeit der Deutschen grob in drei Typen einteilen: Resiliente, Überkontrollierte und Unterkontrollierte.

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Alle Verhaltensweisen in nur 3 Typen

In der Erforschung der menschlichen Persönlichkeit gibt es zwei Herangehensweisen: möglichst umfangreich und detailgenau den Charakter einer Person zu erfassen oder möglichst simpel und einfach. Heute geht es um letztere Methode, genauer gesagt um eine aktuelle deutsche Studie*, in der untersucht wurde, ob sich das Verhalten von Menschen in drei simple Typen kategorisieren lässt.

Diese 3 Typen sind:

  • Resiliente

    (Definition Resilienz: widerstandsfähig gegen negative Einflüsse zu sein und gut mit den Widrigkeiten des Lebens umgehen zu können)

    Menschen dieses Typus haben erhöhte Werte in allen fünf Big Five Eigenschaften: Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Unempfindlichkeit (=niedriger Neurotizismus). In der deutschen Studie entsprachen satte 56% der Teilnehmer in etwa diesem Typ.

  • Unterkontrollierte

    Dieser zweite Typus ist charakterisiert durch niedrige Werte bei Verträglichkeit, ist also nicht besonders rücksichtsvoll und teamfähig, und weist extrem niedrige Gewissenhaftigkeit auf, also sehr wenig Zielstrebigkeit und dafür stark impulsives, chaotisches und unbedachtes Verhalten. 22% der Studienteilnehmer entsprachen diesem Typen.

  • Überkontrollierte

    Der dritte Typus zeichnet sich dadurch aus, dass er sehr introvertiert und zurückhaltend ist, sowie eine geringe Offenheit für neue Erfahrungen, also für Neues und geistige Aktivitäten, sowie eine höhere Empfindlichkeit aufweist. Diesem Typ entsprachen 23% der Teilnehmer.

Die Studie wurde über einen Zeitraum von mehreren Jahren durchgeführt und die Teilnehmer dabei mehrmals getestet. So konnte überprüft werden, in wie fern sich die Persönlichkeit im Lauf der Zeit wandelt. Besonders die resilienten und überkontrollierten Typen änderten sich über die Jahre nur wenig. Die Unterkontrollierten veränderten sich jedoch sehr häufig, und unerwarteter Weise zeigte sich besonders im höheren Alter eine stärkere Veränderung der Persönlichkeit bei allen Typen.

Ob sich die Erkenntnisse über diese drei Typen jedoch verallgemeinern lassen oder überhaupt von größerer Bedeutung sind, darf jedoch angezweifelt werden. Die Studie wurde mit einem sehr kurzen Persönlichkeitstest durchgeführt, dem BFI-S (Short Big Five Inventory), der insgesamt nur 15 Fragen beinhaltet, also lediglich drei Fragen pro Eigenschaft, die jeweils auf einer Skala von 1-5 eingeschätzt werden. Zwar zeigt dieser Test in Studien akzeptable Werte bei der Zuverlässigkeit der Testergebnisse, aber keine wirklich guten. Eine breite Masse an verschiedenen Persönlichkeitsmerkmalen kann er natürlich nicht abfragen, sondern ist limitiert auf seine 15 Fragen und damit ein sehr enges Feld an Verhaltensweisen. Daraus dann auf drei allgemeine Verhaltenstypen zu schließen, die viele verschiedene Eigenschaften in sich vereinen, ist dann doch etwas fragwürdig.

Hier sei erwähnt, dass die drei beschriebenen groben Typen – Resilient, Überkontrolliert und Unterkontrolliert – bereits in anderen, vorherigen Studien gefunden wurden und keineswegs aus der Luft gegriffen sind oder eine rein zufällige Kombination von Eigenschaften darstellen. Als irrelevant können die Ergebnisse der deutschen Studie trotz des kurzen Testes daher nicht abgetan werden. Die Macher der Studie haben auch eine sehr ähnliche Untersuchung in Australien durchgeführt. Dort ließen sich zwar ebenfalls die drei erwähnten groben Typen identifizieren, jedoch gab es auch deutliche Unterschiede: Menschen vom überkontrollierten Typus waren weder besonders introvertiert, noch hatten sie niedrigere Offenheit, sondern eher höhere. Zudem zeigte sich in der australischen Studie ein bedeutender vierter Typ, der ebenfalls häufig vorkam:

  • Der Durchschnittliche

    Menschen mit diesem Typus haben durchschnittliche, weder besonders hohe noch besonders niedrige Werte in allen fünf Big Five Eigenschaften.

Diese Ergebnisse zeigen, dass das Modell der drei Typen in der Praxis nicht so ganz funktioniert. Zwar ist es ein interessantes Gedankenspiel, beinhaltet aber viel zu starke Vereinfachungen und Vergröberungen von Persönlichkeitsstrukturen. Durch eine Reduzierung auf drei Typen werden Eigenschaften in einen Topf geworfen, die keinen direkten Zusammenhänge haben und Menschen in ein Verhaltensprofil gezwängt, dass ihnen vielleicht häufig zum Teil, nur selten jedoch komplett entspricht.
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Ähnliche Themen:

Studie:
On the consistency of personality types across adulthood: Latent profile analysis in two large-scale panel studies, Specht, Jule; Luhmann, Maike; Geiser, Christian, SOEPPapers on Multidisciplinary Panel Data Research, No. 687, 2014 ( PDF )

Frühere Forschung und Kritik am 3-Typen-Modell:
The consistency of personality type classification across samples and five-factor measures, Filip De Fruyt*, Ivan Mervielde and Karla Van Leeuwen, 2002

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