Was wir von Geheimagenten lernen können: die Persönlichkeit des James Bond

Der Ur-Bond: Sean ConneryJeder kennt ihn: Bond. James Bond. Seines Zeichens Geheimagent. Als großer Bond-Fan war ich natürlich im neuen Film Skyfall. Ich bin angenehm überrascht aus dem Kino gekommen und habe mir  spontan einige Gedanken über die Persönlichkeit von Bond gemacht, die ihn in einem interessanten Licht erscheinen lassen. Daher freue ich mich, ein Spezial zu James Bonds typischen Eigenschaften präsentieren zu dürfen. Natürlich handelt es sich bei Bond um eine ausgedachte, fiktive Figur, aber dennoch können wir bei ihm einige deutliche Charaktereigenschaften sehen, die es genauso im echten Leben gibt.

Was wissen wir über die Persönlichkeit von 007, was macht den Macho-Agenten aus?
Die 3 deutlichsten Merkmale von James Bond:

1. Die Sucht nach Abenteuer

James Bond ist ein klassischer Abenteurer: Hungrig nach Erlebnissen, ständig auf der Suche nach Aufregung und Adrenalin, angestachelt von für jeden normalen Menschen absolut atemraubenden und übertriebenen Geschehnissen. Selbst seine ruhigen Momente sind alles andere als beschaulich: Wenn die Luft um Mr. Bond herum einmal nicht brennt, lässt er seinen britischen Charme spielen, verführt Frauen, zeigt sich gönnerhaft oder ist Gast auf extravaganten Partys. Seine Interessen setzt er nicht nur mit Gewalt durch, sondern auch verbal zeigt er sich entschlossen, direkt und selbstsicher. So etwas wie Ruhe oder introvertierte Momente gibt es im Leben des Geheimagenten nicht. Seine Energie scheint gar nie zur Neige zu gehen: James Bond ist ständig aktiv, geht stark aus sich heraus und steht liebend gerne im Mittelpunkt. Die Diagnose ist eindeutig: er ist durch und durch extrovertiert, mit einer extrem hohen Ausprägung in dieser Eigenschaft. Nur wenig reale Menschen sind derartig abenteuerhungrig, rastlos und aktiv. Natürlich ist die Persönlichkeitseigenschaft der Extraversion auch von Geselligkeit und dem zeigen von Emotionen geprägt und besteht nicht nur aus Abenteuerlust und Erlebnishunger. In diesen Aspekten rangiert Bond auch sehr hoch, aber nicht so extrem wie bei der Sucht nach Abenteuern.

  • Info: Die Charakterzüge introvertiert und extrovertiert sind die bekanntesten Persönlichkeitseigenschaften und auch die, die man am leichtesten im Verhalten erkennt. Fast jeder hat schon einmal von diesen Begriffen gehört und kann etwas damit anfangen: Extrovertiertes Verhalten steht dafür, auf andere Menschen zuzugehen, lebhaft und gesprächig zu sein, also seine Energie nach außen zu richten. Introvertiertes Verhalten steht dafür, sich auf sich selbst zu konzentrieren, zurückhaltend und ruhig zu sein, seine Energie also nach innen zu richten. Hinter diesem Verhalten steckt, dass Extrovertierte einen stärkeren Drang nach sozialen Kontakten und Belohnungen haben, während bei Introvertierten dieser Drang nicht so stark ausgeprägt ist.

2. Charmeur oder eiskalter Killer?

Nach außen hin gibt sich der Geheimagent im Dienste ihrer Majestät stets als wahrer Gentleman: zuvorkommend, höflich, charmant und hilfsbereit. Er kämpft gegen dunkle Machenschaften, setzt sich für das Gute ein, beschützt die Schwächeren und bemüht sich, dass keine Unschuldigen zu Schaden kommen. Das entspricht der Eigenschaft kooperatives Interagieren im Typentest Persönlichkeitstest: in seinem Verhalten stets Rücksicht auf andere zu nehmen, Kompromisse einzugehen und im Zweifelsfall auch nachzugeben. Doch wann hat James Bond jemals nachgegeben, außer unter akuter Lebensgefahr?
Blickt man hinter die lächelnde Agentenfassade, zeigt sich ein zweites, gänzlich anderes Gesicht: Ein Manipulator par excellence, der andere Menschen täuscht; ein Verführer, der Frauen für seine Zwecke nutzt; ein Killer, der nicht zögert Menschen zu töten. Zwar geschieht das Alles meist für den übergeordneten, guten Zweck, doch in seinem Verhalten hat James Bond viele blutrote Flecken auf dem weißen Agentenhemd. Fast schon könnte man ihm eine psychopathische Persönlichkeitsstörung zuschreiben, würde er seine Taten nicht im Namen eines in der Regel noblen Ziels durchführen, nämlich der Bekämpfung dunkler Mächte.

  • Info: Eine dissoziale Persönlichkeitsstörung (auch antisozial, psychopathisch oder soziopathisch genannt) bedeutet, die Rechte von anderen und die Regeln der Gesellschaft gezielt zu missachten. Dissoziale bzw. psychopathischen Menschen fehlt gänzlich ein Schuldbewusstsein für unangebrachte Handlungen und Einfühlungsvermögen für die Gefühle Anderer. Soziale Normen spielen für sie keine Rolle. Ihre Schwelle zu Frustration und Gewaltausübung ist sehr gering. Eine Beschreibung, die von dem Verhalten eines James Bonds – und vieler anderer brutaler Actionhelden – nicht weit entfernt ist.

Deutliche Unterschiede offenbaren sich auch zwischen altem und neuem Bond: der alte 007 zeigte sich auch immer mal verträglich und mitfühlend, während der neue Bond alias Daniel Craig viel stärker die eiskalte, harte Seite des hauptberuflichen Geheimagenten und Killers präsentiert.

3. Der Mann, der nichts an sich heran lässt

Haben wir James Bond jemals weinen seinen? Haben wir ihn einmal verzweifelt, angsterfüllt oder am Ende seiner Nerven gesehen (außer in Situationen direkter Todesgefahr)? Verliert er jemals seine Hoffnung, ist schüchtern oder deprimiert?

Nein. Dieser Mann scheint eine Haut aus Eisen zu haben. Er lässt nichts an sich heran. Egal was um ihn herum passiert, James Bond behält immer einen kühlen Kopf, scheint komplett immun gegen die Gefahren und emotionalen Achterbahnen des (Agenten)Lebens zu sein. Doch das liegt nicht etwa an seiner rigorosen Agentenausbildung, sondern an einer bestimmten Persönlichkeitseigenschaft: im Persönlichkeitssystem der Big Five nennt man sie Neurotizismus, ich nenne sie der Einfachheit halber emotionale Empfindlichkeit. Menschen mit hoher emotionaler Empfindlichkeit reagieren schnell und stark auf negative Ereignisse: sie werden leichter deprimiert, verärgert, verängstigt oder entmutigt als die meisten anderen Menschen. Umgekehrt lassen sich Menschen mit niedriger Empfindlichkeit – auch Resilienz genannt – nur schwer aus der Ruhe bringen. Sie haben eine dicke Haut gegenüber den kleinen und großen Katastrophen des täglichen Lebens. Feuerwehrmänner, Polizisten oder Soldaten benötigen z.B. eine geringe Empfindlichkeit in ihrem Job, sonst sind sie schnell überfordert. Ein Geheimagent wie James Bond hat (wie die meisten Filmhelden) eine extrem niedrige, fast schon unrealistische Empfindlichkeit. Die Schwelle, ab der ihn die Geschehnisse um ihn herum emotional oder psychisch überfordern würden, scheint nicht zu existieren.

Eine explosive Mischung

So unrealistisch wie die fiktive, eisenharte Persönlichkeit von James Bond anmutet – selbst konstante Lebensgefahr und weltbedrohende Bösewichte beeindrucken ihn kaum – so real ist sie doch für manche Menschen: Extremsportler wie Felix Baumgartner oder Reinhold Messner setzten sich in ganz ähnlicher Weise Lebensgefahr aus, und zwar wissentlich und absichtlich. Ohne eine verminderte Angst- und Empfindlichkeitsschwelle wäre dies nicht möglich. Denn jeder normale Mensch würde bei der Vorstellung, z.B. eine 100 m hohe Felswand ohne Sicherung zu erklimmen oder sich in die Nähe wilder Tiere zu begeben, sofort eine gesunde Portion Angst bekommen und kehrt machen. Nicht so Menschen mit einer extrem niedrigen Empfindlichkeit. Sie brauchen Extremsituationen, um den Kick zu bekommen, um doch so etwas wie Angst zu verspüren. Zusammen mit einer hohen Extroversion – die Menschen dazu bringt, aktiv nach solchen abenteuerlichen und aufregenden Situationen zu suchen – ergibt sich eine explosive Persönlichkeitsmischung. Auch im realen Leben. Allerdings hat im realen Leben niemand einen „Job“ wie James Bond. Denn wer sich täglich in Schusswechsel und mörderische Verfolgungsjagden begeben würde, hätte kein langes Leben, und es gäbe in Folge dessen nicht allzu viele Geschichten über ihn zu erzählen.
Das ist die große Schattenseite von sehr niedriger Empfindlichkeit: Eine zu geringe Wahrnehmung von Gefahren bzw. das absichtliche Ignorieren dieser, was wiederum fatale Folgen haben kann. Während Menschen mit hoher Empfindlichkeit zu viel fürchten, fürchten solche mit niedriger zu wenig. Sie sind die unerschrockenen Helden im realen Leben, oben erwähnte Feuerwehrmänner und Polizisten.

Persönlichkeit, geschüttelt, nicht gerührt!

Zusammengefasst: James Bonds Persönlichkeit besticht durch drei Eigenschaften: 1. extrem hohe Extraversion, die ihn charmant, lebhaft, abenteuerlustig und durchsetzungsstark macht; 2. dem Charmeur nach außen und dem psychpathisch angehauchten Manipulator hinter dem Smoking; Sowie 3. aus extrem niedriger Empfindlichkeit, die ihn allen Gefahren trotzen lässt. So unrealistisch die Filme und die darin vorkommenden Ereignisse sind: Die Persönlichkeit des James Bond ist realistischer als man denkt.
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Im Typentest ordne ich ihm übrigens dem EPHS – Macher zu.

Im Reiss Profile würde ich 007 hohe Werte bei den Motivationen bzw. Motiven Macht, Status, Eros/Sex, Unabhängigkeit, soziale Kontakte, körperliche Aktivität und natürlich Rache zuschreiben.
Dass er nach Macht und Status sucht erklärt sich automatisch durch seinen Job und wie er sich nach außen darstellt und verhält. Eros/Sex spielt immer eine große Rolle in der Motivation des Charakters. Bond ist die meiste Zeit allein unterwegs und macht sein eigenes Ding, was des Öfteren den Vorstellungen seiner Vorgesetzten widerspricht. Trotz oder gar wegen seines hohen Bedürfnisses nach Eros/Sex bindet er sich nicht an eine bestimmte Frau. Er schätzt seine Unabhängigkeit. Er ist sehr extrovertiert, geht stark aus sich heraus und findet trotz dem, dass er meist alleine unterwegs ist überall sehr schnell neue Bekanntschaften und „Freunde“, ist also stets aktiv auf der Suche nach neuen sozialen Kontakten. Körperliche Aktivität erklärt sich ebenfalls von selbst: Bond ist stets unterwegs, sehr sportlich und agil. Zu guter letzt das Motiv der Rache: Wer ihm, den ihm nahestehenden oder seiner Organisation Schaden zufügt, der muss damit rechnen, erbarmungslos dafür bestraft zu werden. Da Bond immer gewinnt, kriegt er auch immer seine Rache.
Unter Umständen könnte man ihm auch noch die Motive Anerkennung und Ehre zuschreiben. Was beim Charakter des James Bond dagegen quasi gar nicht ausgeprägt ist, sind die Bedürfnisse nach Familie, Ruhe und Sparen. Auf das Eigenheim mit Frau und drei Kindern oder den Ruhestand in einsamer Abgeschiedenheit arbeitet er vermutlich nicht hin.

Bilder:
James Bond Lego von Profound Whatever
Sean Connery von twm1340

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4 Responses to Was wir von Geheimagenten lernen können: die Persönlichkeit des James Bond

  1. Gilbert sagt:

    Echt interessant!

    Vielleicht kannst du mir in diesem Zusammenhang eine Frage beantworten: Bei dem hier erklärten Begriff von Extroversion wird der Erlebnis- und Abenteuerhunger in den Vordergrund gestellt. Aus meinem Alltagsverständnis erschließt sich mir das nicht ganz. Es gibt offenbar Introvertierte, die einen ganz extremen Abenteuerhunger haben, die bereit sind, große Risiken einzugehen (vielleicht sogar Messner, ganz bestimmt aber Christopher McCandless). Im MBTI passt das auch gut zusammen (IP), im Big Five scheinbar nicht. Oder?

  2. Lars Lars sagt:

    Hi Gilbert,

    Richtig, beim MBTI ist das ein bißchen anderes wie bei den Big Five. Bei den Big Five hat jede Persönlichkeitseigenschaft 6 Facetten. Zu den Facetten von Extroversion gehört: Herzlichkeit, Geselligkeit, Durchsetzungsfähigkeit, Aktivität, Erlebnishunger, Frohsinn. Bond schneidet in all diesen Facetten hoch ab, und bei Erlebnishunger und Aktivität extrem hoch, daher mein Fokus darauf.
    Demnächst werd ich wohl mal nen Artikel zu den genauen Unterschieden bei Mbti & Big Five machen, was das angeht.

    Ein Introvertierter mit extremem Erlebnishunger dürfte sehr selten sein, aber es gibt sie bestimmt. Das ist kein Widerspruch. Bei den Big Five heisst es ja nicht, das alle Facetten rigide zusammenpassen müssen, sondern nur höchstwahrscheinlich auf ähnlicher Höhe liegen.
    Die Risikobereitschaft hängt nicht nur mit Extroversion, sondern auch mit niedrigem Neurotizismus und niedriger Gewissenhaftigkeit zusammen.
    Vereinfacht würde ich sagen: hoher Erlebnishunger = die Suche nach dem Kick. Niedrige Empfindlichkeit und niedrige Gewissenhaftigkeit = die Bereitschaft, hohe Risiken für den Kick einzugehen. Das alles zusammen ist dann die explosive Mischung 😉

  3. Winfried Wirzberger sagt:

    Die Extroversion von J. Bond schwankt doch ziemlich stark mit dem Schauspieler der diese Figur verkörpert.

    Ich persönlich halte die Darstellung von J. Bond welche Daniel Craig spielt für introvertiert.

    Warum?

    Ich nehme mal die von dir genannten Charaktereigenschaften als Grundlage.

    Herzlichkeit u. Frohsinn – negativ
    Geselligkeit – mittelmäßig

    Für Extroversion sprechen Aktivität u. Erlebnishunger
    Durchsetzungsvermögen spricht eher für logisches Handeln als für Extroversion, meiner Ansicht nach.

    Für mich ist es nicht ganz immer ganz so klar ob er wirklich die Aktivität sucht oder er situativ bedingt in Aktivitäten verwickelt wird.

    Ich beziehe mich hier nur auf die von D. Craig verkörperte Version von J. Bond

    P.S. Der Typ von M (Judi Dench) ist E_LG, meiner Ansicht nach, wobei ich eher zu T als P tendiere.

  4. Lars Lars sagt:

    Hi Winfried,

    Da gebe ich dir Recht, Daniel Craig ist in seiner Darstellung recht zwiespälig was die Darstellung von Introversion/Extroversion angeht, mit Hang zum Introvertierten und Distanziertheit. Liegt denke ich auch daran, dass man Bond realistischer machen wollte – eben nicht nur diese comichafte Schablone, die IMMER Bock auf Action, Abenteuer und Parties hat.

    Durchsetzungsfähigkeit bei Extroversion ist in der Tat etwas umstritten. Bei dem den Big Five ähnlichen HEXACO ist sie nicht Teil von Extroversion.

    M = ETLG, ja das denke ich auch.

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