Musik & Persönlichkeit

Jeder von uns hört Musik: zu Hause, im Auto, bei der Arbeit, im Bad, unterwegs, am Strand, im Fitnessstudio, auf Partys uvm.. Musik ist ein zentraler Bestandteil unseres Lebens. Wir hören sie zu unterschiedlichsten Gelegenheiten, sie versetzt uns in verschiedenste Stimmungen und es gibt viele verschiedene, sehr unterschiedliche Musik-Genres. Musik hat offensichtlich eine große Bedeutung für uns. Das führt uns zu der Frage:

Hat Musik Persönlichkeit?

Die Wissenschaft sagt: Ja. Musik lässt sich in fünf grobe Kategorien einordnen (Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel):

In einer Serie von drei Studien* wurde 2011 u.a. von Lewis Goldberg (dem Entwickler des IPIP, um das es letzte Woche ging) dieser Frage nachgegangen.

Dabei haben sich grob fünf Arten unterschiedlicher Musik gezeigt:

a) Komplex. Komplizierte und anspruchsvolle Musik, meist ohne Gesang, z.B. Klassik, Oper, Jazz, Blues oder „Welt-Musik“, d.h. Musik aus anderen Ländern mit für uns nicht gängigen Klängen und Aufbau, z.B. orientalisch, osteuropäisch oder indisch. Bayrische Blasmusik z.B. ist für einen Ausländer (oder einen Nicht-Bayern) demnach auch Welt-Musik.

b) Intensiv/Aggressiv. Laute, kräftige, energetische Musik, z.B. Rock, Alternative, Metal, Ska und Punk.

c) Angenehm. Softe, sanfte, relaxende Musik, z.B. Pop, Soft Rock, R&B und Soul.

d) Anspruchslos. Einfache, direkte, simple Musik, z.B. Country, Pop, Rock’n’Roll, Soundtracks und Singer-Songwriter, also einfache Gitarrenmusik.

e) Modern. Rhytmische, tanzbare, durch Schlagzeug oder Basslinie getriebene Musik, z.B. Rap, HipHop, Dance und Elektronische Musik.

Die Musik in der Studie bestand aus den 26 gängigsten Genres, wobei diese von US-amerikanischen Teilnehmern gewählt wurden, weswegen eher europäische oder deutsche Genres wie z.B. Schlager, Volksmusik oder Techno nicht vertreten waren, dafür z.B. verschiedene Arten von Country-Musik.

Natürlich hatten alle Songs in der Studie mehr oder weniger starke Zusammenhänge mit nicht nur einer, sondern mehreren dieser fünf Kategorien, aber die meisten Songs ließen sich klar einer Hauptkategorie zuordnen. Am deutlichsten war dabei die Kategorie der komplexen, anspruchsvollen Musik, die sich auch am meisten von den anderen vier unterscheidet.

Sehr ähnliche Ergebnisse gab es bereits 2003 in einer Serie von sechs Studien*, bei denen fast die gleichen fünf Kategorien für Musik gefunden wurden (lediglich die Einschätzung für angenehme, softe Musik fehlte). Dort wurden die Vorlieben für bestimmte Musikstile zusätzlich noch mit den Persönlichkeitsmerkmalen der Big Five verglichen: größere Zusammenhänge gab es allerdings nur mit Offenheit für neue Erfahrungen und Komplexer Musik.
Geringere Zusammenhänge gab es zwischen dem bevorzugen von Anspruchsloser, einfacher Musik und Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit, sowie politisch Konservative bevorzugten diese Musik ebenfalls etwas mehr. Intensive/Aggressive Musik wurde leicht bevorzugt von Menschen mit hoher Offenheit für neue Erfahrungen, und Moderne, rhytmische Musik wurde von Extrovertierten leicht bevorzugt. Aber diese Zusammenhänge waren alle eher gering.

Was sagen uns also diese Studien, außer dass sich Wissenschaftler mit nahezu allen noch so abwegigen Themen beschäftigen?

Das es verschiedene Arten von Musik gibt, und damit auch verschiedene Gründe, warum und wofür wir Musik hören: Entspannung, Anregung, Unterhaltung, Bewegung (tanzen) uvm.. Das ist natürlich nichts Neues und konnten sich die Meisten wahrscheinlich auch ohne Studien denken. Es ist aber dennoch interessant, wie die Unterteilung der Genres verläuft und was die meisten Menschen mit diesen verbinden. Besonders deswegen, weil Musik eine große Bedeutung in unserem Leben hat.

Ähnliche Artikel: Tanzstil und Persönlichkeit, Was Facebook über die Persönlichkeit aussagt, Die Macht der Intuition, Introspektion – der Blick nach innen, Wie sich Persönlichkeit im Lauf des Lebens verändert

Quellen:
– The structure of musical preferences: A five-factor model., Rentfrow, Peter J.; Goldberg, Lewis R.; Levitin, Daniel J., 2011
– The do re mi’s of everyday life: the structure and personality correlates of music preferences, Rentfrow PJ, Gosling SD, 2003

Dieser Beitrag wurde unter Big Five, Persönlichkeit abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

4 Responses to Musik & Persönlichkeit

  1. Martin sagt:

    Hi Lars

    Als Musiker und Musiklehrer gefällt mir die 1. Kategorie „Komplex“ gar nicht. Das ist alles sehr abhängig von Hörgewohnheiten. Du schreibst es ja selbst. In einem Land wird die eigene Volksmusik als einfach wahrgenommen und von anderen Kulturen als komplex.

    Es gibt Leute, die stehen auf orchestrale und laute Musik und zwar im Bereich Klassik. Ich würde es nicht von Musikstilen abhängig machen, was einer bevorzugt.

    Ich halte solche wissenschaftlichen Untersuchungen für problematisch, das alles nur aus der Sicht der zur Verfügung stehenden Parameter gemessen wird. Innerhalb dieser gesetzten Grenzen ist die Untersuchung dann „wissenschaftlich“. Wenn man die Grundannahmen in Frage stellt, kann es zu völlig anderen Resultaten kommen.

    Es gibt sicher irgendwo in den hintersten Ecken Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeit und der bevorzugten Musikrichtung. In der Regel suchen sich Menschen Richtungen aus, wo sie in Stimmungen kommen, die sie im Alltag nicht leben.

    Liebe Grüsse, Martin

  2. Lars Lars sagt:

    Hi Martin,

    Danke für deinen Beitrag. Ja, das mit der Kategorie komplex ist mir auch aufgefallen. Es geht ja auch weniger darum, zu sagen welcher Persönlichkeitstyp welche Musik mag, sondern mehr darum, Musik selbst in bestimmte Kategorien zu ordnen.

    Natürlich ist man bei der Studie von recht festen Genres ausgegangen und natürlich gibt es in Wirklichkeit zig Sachen die dazwischen liegen und sich nicht zuordnen lassen. Aber es ging ja eben darum, Musikstücke, die deutlich einem Genre entsprechen, bestimmten Eigenschaften zuzuordnen.

    In der Typologie ist das bei Menschen ja auch nicht viel anders: dort gibt es auch Menschen, die sich leicht einem Typ zuordnen lassen, und andere die mehreren verschiedenen entsprechen.

  3. Winfried Wirzberger sagt:

    Hallo Martin,

    ich würde schon sagen dass es Unterschiede gibt was die Komplexität von Musikstücken betrifft.
    Wenig komplexe Musikstücke sind für mich Musikstücke die variationsarm sind, z.B. kurze Melodiefolgen die unvariiert oft wiederholt werden; durchgängig gleicher Takt (Tempo, Taktart); keine Wechsel bei der Instrumentierung.
    Streng vom Notenblatt abgespielt oder sogar maschinell per Notensatz statt frei interpretiert oder sogar improvisiert.

    Free Jazz z.B. ist meiner Ansicht nach deutlich komplexer als ein Techno-Stück aus dem programmierten Sequenzer.

    Der Anfang folgenden Musikstücks ist für mich eines der schönsten je komponierten melodischen Musikstücke.
    http://www.youtube.com/watch?v=e4jrp7KePhk
    Ok, das mag jetzt subjektiv sein.

    Gruß
    Winfried

  4. Hi Lars,

    danke für den Text. Offenheit für neue Erfahrungen und Extraversion scheinen im Musikgeschmack durchzuschlagen. Neurotizismus aber zum Beispiel nicht. Interessant an der Studie ist, dass sie auch kognitive Fähigkeiten und Selbstwahrnehmungen einbezieht. Die Aussagekraft leidet sicher daran, dass es sich bei den Teilnehmern der Studie vor allem um amerikanische Studenten (jung, gebildet, amerikanisch sozialisiert) handelt.

    Für mich ist es sehr aber sehr plausibel, dass Personen mit unterschiedlich ausgeprägten Persönlichkeitsmerkmalen auch unterschiedliche Musik mögen. Unter http://www.intp.org/intprofile.html wird ziemlich treffend der Musikgeschmack von INTPs analysiert. Ist interessant zu lesen.

    Viele Grüße,

    Gilbert

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert