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Die Funktionen nach Jung
Hintergrund
Die ursprüngliche
Grundlage der
Typologie bilden die Funktionen von
C.G. Jung. Eine Funktion ist laut Jung quasi
unser Basisverhalten. Wie wir Dinge
grundlegend
wahrnehmen und darauf reagieren. Zumindest in der Theorie.
1921 hat C.G. Jung seine
Erkenntnisse zu "Psychologischen Typen" veröffentlicht. In diesem Buch
beschrieb
er vier grundsätzliche, so genannte Verhaltens-Funktionen: Denk- und
Fühltypus, sowie Intuitiv- und Empfindungstypus. Nach seiner Vorstellung war
jede dieser Verhaltens-Funktionen entweder Extrovertiert oder
Introvertiert
ausgerichtet, macht also 8 Typen bzw. Funktionen.
In der heutigen Psychologie und
Wissenschaft spielen diese Funktionen jedoch keine Rolle mehr. Sie waren
zwar die Grundlage für vieles, z.B. war Jung der Erste, der die Begriffe
Extraversion und Introversion benutzte, sind aber heute veraltet.
Extrovertiert, Introvertiert und
Intuition werden heute etwas anders definiert. Daher werden Jungs Funktionen im Typentest nicht mehr genutzt. Genaueres
dazu siehe unten.
Viele finden jedoch auch heute noch
Gefallen an Jungs Theorien, vor allem an der Annahme, dass jeder Mensch eine
oder zwei besonders stark ausgeprägte Eigenschaften hat, die sein
grundlegendes Verhalten bestimmen.
Daher hier eine
Alternative, Jungs Funktionen so zu
interpretieren, dass sie auch mit modernen
wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Persönlichkeit
vereinbar sind:
Alternatives
Typentest-Funktionsmodell nach Jung:
Nach der Theorie von
Jung hat jeder Mensch eine Hauptfunktion
und eine zweite,
untergeordnete Funktion
. Das kann man
sich in etwa so vorstellen wie beim einem Schiff:
Die
Hauptfunktion ist der Kapitän, der ansagt
wo es lang geht.
Die zweite
Funktion ist der
erste Offizier, der zwar immer noch viel zu
sagen hat, aber sich erst einmal nach dem Kapitän
richten muss.
Wer an diesem alten
Modell von Jung festhalten will, der kann es auf
eine neue Weise interpretieren, die mit den
Erkenntnissen der aktuellen Persönlichkeitsforschung
vereinbar ist:
Die
Hauptfunktion
wird danach bestimmt, welche Eigenschaft am
stärksten ausgeprägt ist (z.B. durch einen Test
oder Selbsteinschätzung). Das kann JEDE der acht
Eigenschaften sein (Extrovertiert-Introvertiert,
Praktisch-Theoretisch, Hart-Kooperativ,
Geplant-Spontan).
Ist bei einem EPHG
z.B. Extroversion die am stärksten ausgeprägte
Eigenschaft, so ist dies die Hauptfunktion. Genauso
können es bei ihm aber auch die Eigenschaften
Praktisch, Hart, oder Geplant sein, wenn eine
dieser am stärksten ausgeprägt ist. Oder bei einem
anderen Typ jede der anderen Eigenschaften.
Die zweite
Funktion wird danach bestimmt, welche
Eigenschaft am
zweitstärksten ausgeprägt ist. Dies kann ebenso
jede Eigenschaft sein, z.B. Geplant bei unserem EPHG
Beispiel von oben.
In unserem Beispiel
haben wir also einen EPHG,
dessen stärkste Ausprägungen Extroversion, also aus
sich heraus gehen, und Geplantes, zielgerichtetes
Handeln sind. Diese Ausprägungen sind deutlich in
seiner Persönlichkeit verankert und auch deutlich
in seinem Verhalten sichtbar (da sie seine
stärksten Ausprägungen sind).
Das Praktische Denken und das Harte Interagieren
sind dagegen nur weniger stark ausgeprägt bei ihm,
und somit untergeordnete (quasi 3. und 4.)
Funktionen.
Unbewusste Funktionen sind dann diejenigen
Eigenschaften, die das Gegenteil des Testergebnisses
darstellen, z.B. Introvertiert, Theoretisch,
Kooperativ
und Spontan beim EPHG - Beispiel.
Weitere Beispiele für
dominante Funktionen wären z.B. ITKS,
ETHG oder IPHG.
Auf diese Weise
ergeben sich 6 verschiedene Kombinationen pro
Typ.
Oder
sogar 16, wenn man bei jedem Typ nur Eigenschaften
als besonders ausgeprägt wertet, wenn diese auch
wirklich hoch ausgeprägt sind. Das können dann auch
null, eine, drei oder alle vier Eigenschaften sein.
Gesteht man nun einem Typ des weiteren auch zu,
Eigenschaften in denen er nicht sicher zu einer
Seite tendiert mit einem "X" zu markieren, gibt es
81 Kombinationen pro Typ. Mehr dazu im Blog
hier.
Vorteil:
Dieses individuelle Modell
ist nicht nur sehr einfach zu handhaben, sondern hat im Vergleich
zum Jungschen/MBTI-Modell den klaren Vorteil, das hier nicht nach einem
festen Schema die Persönlichkeit (falsch) interpretiert wird, sondern
individuell nach den tatsächlichen Prioritäten/Hauptfunktionen einer
Person.
Denn das ist genau das worum es in der Persönlichkeitsforschung geht:
Gemeinsamkeiten und individuelle Unterschiede des Menschen zu
beschreiben. Das ist mit diesem Modell möglich. |
Siehe auch Blogartikel dazu:
-
Individuelle Typen – eine Alternative zu den
Funktionen
oder
Eine Idee für neue Typen
Folgendes ist für Experten gedacht, die
dass Funktionsmodell vom MBTI kennen:
Fehlerhaftes Funktionsmodell des MBTI
Im
MBTI
(und
Sozionik /Socionics)
wurden Jungs acht Grundfunktionen später
erweitert und auf andere Weise interpretiert. Es
wurde eine Theorie über ein festes Set von
Funktionen mit einer festgelegten Reihenfolge von 1
bis 4 entwickelt.
Allerdings ist diese Theorie sehr realitätsfern und
funktioniert in der Praxis nicht wirklich: da es
immer eine festgelegte Reihenfolge der Funktionen
gibt, bei der das individuelle Testergebnis einer
Person (also die jeweilige Stärke der acht
Eigenschaften) überhaupt nicht berücksichtigt wird,
stimmt dieses System nur selten mit der wirklichen
Persönlichkeit überein, bzw. nur wenn man die
Persönlichkeit dem Modell anpasst, statt umgekehrt.
Die Funktionen nach C.G. Jung & MBTI sind
also lediglich psychologische Interpretationen, keine
Fakten: Jung hat sie aufgrund von Beobachtungen,
Anekdoten und Eingebungen entwickelt. Studien und
Untersuchungen sprechen ganz klar dafür, dass es sie
in der in der menschlichen Persönlichkeit nicht
wirklich gibt*. Kurz gesagt:
Ihre Aussagen treffen nicht ein, in der Praxis
funktionieren sie nicht.
Ich habe mehrere
Blogartikel dazu geschrieben, in denen ausführlich
erklärt wird, warum die Funktionen nicht so wie von
Jung und MBTI angenommen funktionieren, inkl.
Quellangaben zu den entsprechenden Studien:
-
Die Funktionen nach C.G. Jung - Fakt oder
Interpretation?
-
Jung & MBTI - der Irrtum von Funktionen und
Typdynamik
Hier findet sich
deshalb absichtlich keine ausführliche
Erklärung, wie das Funktionsmodell des MBTI funktioniert. Denn dieses komplizierte,
veraltete Modell sorgt für mehr Verwirrung als
Klärung und gibt einen falschen Eindruck der
Persönlichkeit wieder.
Leider
werden die Funktionen dennoch von
vielen MBTI-Autoren bis heute verwendet, da sie eine
vermeintliche Erklärung dafür liefern, wie die
menschliche Persönlichkeit funktioniert.
Ich selbst habe
mich früher lange damit beschäftigt, aber
schließlich eingesehen, dass deren Aussagen in der
Praxis einfach nicht zutreffen. Das Modell der MBTI-Funktionen verbiegt und interpretiert die
Realität so, dass sie auf das Modell passt, statt
umgekehrt.
Von Reynierse und
Harker wurde 2008 kritisch untersucht in wie fern
die Funktionen bzw. die so genannte Typdynamik im
MBTI der Realität entsprechen. Ihre Ergebnisse aus
insgesamt sechs Studien hat Reynierse 2009 in der
Zusammenfassung “The case gainst type dynamics”
präsentiert und ein alternatives Modell
vorgeschlagen. Er klärt darin ob die Funktionen ein
reines Gedankenkonstrukt sind, das nicht viel mit
der Wirklichkeit zu tun hat. Oder entspricht die
Funktionstheorie der Realität, und entsprechen die
Aussagen die dort gemacht werden der tatsächlichen
Persönlichkeit und dem tatsächlichen Verhalten von
Menschen? Stimmt die Reihenfolge der Funktionen
(Haupt-, Neben- usw.) mit den tatsächlichen
Ausprägungen in der Persönlichkeit einer Person
überein, und stimmen die Aussagen, die die
Funktionen über das Verhalten einer Person machen?
Das klare Ergebnis der Studien: Nein. Die Aussagen
der Funktionen treffen in der Realität nicht ein:
Laut Reynierse hält die Funktionstheorie nicht
einmal ihrer eigenen internen Logik stand, hat
eklatante Fehler in ihrem Aufbau, ist in keiner
Weise wissenschaftlich fundiert, basiert rein auf
Anekdoten, entspricht nicht der Jungschen Theorie,
verwurstet Dinge die nicht zusammengehören und
verschlimmbessert dadurch die Theorie der acht
Eigenschaften und 16 Typen.
Das hört sich hart an, ist aber alles einwandfrei
begründet, nachvollziehbar und verständlich (und
bestätigt mich in meiner persönlichen Erfahrung und
anderen Studien die ich dazu gelesen habe).
Die Ergebnisse im
Detail: es konnte für keinen der 16 Typen bzw. für
keines der Funktionskonstrukte ein Zusammenhang
zwischen der angeblichen, festen Reihenfolge der
Funktionen und den tatsächlichen Ausprägungen in der
Persönlichkeit der Testpersonen festgestellt werden.
Die Beschreibungen der dominanten Funktionen
stimmten nicht mit den tatsächlichen
Persönlichkeitseigenschaften der getesteten Personen
überein. Im Gegenteil: die Aussagen der Funktionen
waren teils sogar schlechter als das Zufallsprinzip.
Die festgelegte Reihenfolge der Funktionen
(1.,2.,3.,4.) trat bei insgesamt 540 Testergebnissen
nur ein einziges Mal(!) so auf, wie sie laut MBTI
angeblich ist. Allein das sagt alles über die
Realitätsferne der Funktionstheorie.
Betrachtet man nur einen Teil davon, z.B. das die
dominante Funktion stärker ausgeprägt sein sollte
als die 2.te, oder die 3.te stärker als die 4.te,
dann traten diese Effekte bei 92 von 540 Tests auf.
Die umgekehrte Reihenfolge trat dagegen 104 mal auf,
also häufiger als die angeblich Richtige…
Es konnten auch keine Zusammenhänge zwischen den
Eigenschaften festgestellt werden, wie sie laut den
Funktionen existieren sollten (z.B. Extrovertiertes
Praktisches, Geplantes denken als Hauptfunktion).
Judging (Geplant) und Perceiving (Spontan) hatten
keinerlei Zusammenhänge mit Extroversion und
Introversion, so wie es sie laut den Funktionen
geben müsste.
Warum ist das
Ergebnis so vernichtend? Weil die Beschreibungen der
Funktionen und Typdynamik (im Gegensatz zu den acht
Eigenschaften) rein auf Anekdoten und persönlichen
Erfahrungen der jeweiligen Autoren basieren. Diese
Anekdoten sind allerdings nichts anderes als
Interpretationen und persönliche Meinungen, die
nicht viel mit der Realität zu tun haben, sondern im
Gegenteil die Realität so interpretieren, dass sie
auf die Funktionstheorie passt, statt umgekehrt.
Im Klartext: die Beschreibungen der Funktionen und
ihre Reihenfolge stimmen nicht. Sie haben kaum etwas
mit der realen Persönlichkeit zu tun.
Warum nicht
stattdessen ein Modell verwenden, das sich der
Realität anpasst? Das nicht nach einer veralteten
Schablone funktioniert, sondern das die echte,
individuelle Persönlichkeit eines Menschen
wiedergibt!
Ein
alternatives Modell,
dass die Funktionen nicht nach einer festen Formel
für jeden Typ berechnet (wie im MBTI), sondern nach
dem jeder Mensch und jeder Typ ein
eigenes, individuelles Set an Funktionen hat.
Dieses wird ganz simpel danach festgelegt, welche
Eigenschaft am Stärksten ausgeprägt ist. Es hat den
Vorteil, dass niemand in ein festgelegtes Set an
Funktionen gepresst wird (das sowieso falsch ist),
sondern diese selbst individuell nach seinen
tatsächlichen Ausprägungen bestimmt.
Siehe oben
Alternatives
Typentest-Modell nach Jung.
*Quellen: Reynierse, James H, The
case against type dynamics, Journal of Psychological
Type, 2009
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Weitere Persönlichkeits-Themen:
Depression,
Altruismus, Lethargie,
Kreativität
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