Individuelle Typen – eine Alternative zu den Funktionen (2)

Im vorherigen Artikel Jung & MBTI – Der Irrtum von Funktionen und Typdynamik ging es darum, dass man nicht versuchen sollte die menschliche Persönlichkeit anhand einer starren Formel zu erklären, die keine individuellen Unterschiede berücksichtigt.

Nun geht es darum, wie man diese individuellen Unterschiede am Besten kennzeichnet.

In der zuvor erwähnten Studie von Reynierse und Harker* wurde festgestellt, das sich die dominanten Aspekte der Persönlichkeit, bzw. ihre Hauptfunktion wenn man es so nennen will, am besten ganz simpel durch die Eigenschaften beschreiben lassen, die am stärksten ausgeprägt sind (Unabhängig davon ob diese Eigenschaften der Theorie von Jung und MBTI entsprechen). Das kann eine beliebige einzelne Eigenschaft sein, oder auch mehrere zusammen.

Eine genaue Einschätzung aller acht Eigenschaften (ExtrovertiertIntrovertiert, Praktisch-Theoretisch, Hart-Kooperativ, Geplant-Spontan). ist z.B. mit dem Typentest XL Persönlichkeitstest oder durch Selbsteinschätzung möglich.

Stärkste Eigenschaft = Hauptfunktion

D.h. jemand dessen stärkste Ausprägung von allen acht Eigenschaften z.B. bei Extroversion liegt, dessen Hauptfunktion ist dann auch ganz simpel Extroversion. Ist z.B. die am zweitstärksten ausgeprägte Eigenschaft Geplantes handeln, dann ist dies die zweite Funktion. Alternativ könnte man auch beides als Hauptfunktion EG zusammenfassen. Dies sind dann die am stärksten ausgeprägten Eigenschaften der Person, die sich auch bei jeder Person deutlich sichtbar im Verhalten bemerkbar machen.

Wenn die oben genannte Beispielperson z.B. jeweils nur leichte Ausprägungen zu Praktisch und Kooperativ hat, könnte man diese beiden als dritt- und viertwichtigste Funktionen/Eigenschaften sehen. Diese beiden Eigenschaften spielen eine wesentlich geringere Rolle im Verhalten und in der Persönlichkeit der Person.
Ein weiteres Beispiel wäre z.B. jemand mit hoher Ausprägung in Theoretischem denken und Kooperativem interagieren. In diesem Fall wären dann TK die deutlichsten Eigenschaften und somit Hauptfunktion(en).

Dominante Eigenschaften unterstreichen

Jemand mit dem Ergebnis ITKS – Introvertiert, Theoretisch, Kooperativ, Spontan kann dann, wenn z.B. seine stärkste Ausprägung im Bereich Theoretisch liegt, das T unterstreichen: ITKS.
Oder das T und das S, falls beide Ausprägungen hoch sind: ITKS.
Auf diese Weise sind viele individuelle Kombinationen möglich, z.B. ETHS oder IPKG. Insgesamt sind es 16 verschiedene pro Typ (und alle Typen zusammengerechnet 256).
Der Persönlichkeitstyp lässt sich auf diese Weise wesentlich individueller und an die jeweilige Person angepasst darstellen, als es durch die Jung/MBTI-Funktionen möglich ist.

Das „X“ für Unentschieden

Gehen wir gleich noch einen Schritt weiter und kennzeichnen die Ausprägungen, bei denen jemand nahe der Mitte liegt, oder sich nicht klar für eine Seite entscheiden kann, mit einem x. Also z.B. xTKS, oder ITKx.
Dadurch wird in Kombination mit den unterstrichenen Buchstaben deutlich, das zwei Personen mit dem jeweils gleichen Typ als Ergebnis durchaus sehr unterschiedlich sein können, z.B. das vorherige Beispiel eines xTKS (1) vs. ITKx (2). Beide haben im Test das gleiche Ergebnis bekommen (ITKS), aber wenn man ihre individuellen starken und schwachen Ausprägungen berücksichtigt, ergeben sich zwei recht unterschiedliche Persönlichkeiten:

  • ITKS Nummer 1 xTKS ist unentschieden im Bereich Extrovertiert-Introvertiert, stark ausgeprägt bei Theoretisch, durchschnittlich bei Kooperativ und ebenfalls stark bei Spontan. Bedeutet: ist nur minimal zurückhaltend, oft auch Extrovertiert, hat einen sehr stark ausgeprägten Drang zu geistigen Aktivitäten, interagiert mitfühlend/empathisch und ist sehr spontan und wenig zielgerichtet.
  • ITKS Nummer 2ITKx – ist dagegen stark ausgeprägt Introvertiert, durchschnittlich bei Theoretisch, stark ausgeprägt bei Kooperativ und unentschieden bei Spontan-Geplant. Bedeutet: ist sehr zurückhaltend und in sich gekehrt, mag geistige Aktivitäten, entscheidet fast immer mitfühlend/empathisch und ist teils spontan, teils aber auch zielgerichtet.

Obwohl sie beim Test in den gleichen Persönlichkeitstyp eingeordnet werden (ITKS), sind die beiden in der Realität doch sehr verschieden, was durch die unterstrichenen Eigenschaften und die x’e deutlich wird.

Das gilt natürlich auch für alle anderen Typen: z.B. wird ein IPHG mit der individuellen Ausprägung xPHx in seiner Persönlichkeit und seinem Verhalten wesentlich weniger vorausplanend und zielgerichtet sein als ein IPHG mit der individuellen Ausprägung IPHG, der dafür viel zurückhaltender und ruhiger ist wie die erstgenannte Person.

81 Typen in einem:

Auf diese Weise ergeben sich für jeden Typ 81 Kombinationsmöglichkeiten.
Damit lassen sich persönliche Unterschiede viel besser erfassen als mit den 16 Grundtypen, denn insgesamt ergeben sich daraus 625 verschiedene Kombinationsmöglichkeiten für alle Typen zusammen. Eine Kombination wie z.B. Ixxx ist natürlich eher selten, aber zwei unentschiedene Eigenschaften oder zwei stark ausgeprägte Eigenschaften kommen durchaus sehr häufig vor und machen den Großteil dieser Kombinationen aus.

Individuelle Typen

Es lässt sich mit diesem System viel präziser auf die individuellen Ausprägungen einer Person eingehen, als dies mit dem Funktionsmodell nach Jung und MBTI möglich ist, bei dem davon ausgegangen wird das jeder Mensch in seiner Persönlichkeit nach einer genau festgelegten Struktur aufgebaut ist, die bei allen gleich funktioniert – was aber nicht der Realität entspricht (siehe vorheriger Artikel).

Natürlich geht durch ein X anstelle einer Eigenschaft auch ein Stück weit die klare Einteilung in Typen verloren. Aber dadurch wird die individuelle Sicht auf eine Person und ihre reale Persönlichkeit gewonnen. Und das ist meiner Meinung nach das Wichtigste, schließlich geht es genau darum in einem Persönlichkeitstest.

Kommentare sind wie immer erwünscht.

Ergänzender Artikel: Eine Idee für neue Typen

PS: Eine genaue Einschätzung aller acht Eigenschaften – um herauszufinden welche Ausprägungen stark sind und welche unentschieden – ist z.B. mit dem Typentest XL Persönlichkeitstest oder durch Selbsteinschätzung möglich.

Quellen: *Reynierse, James H, The case against type dynamics, Journal of Psychological Type, 2009

Ähnliches Thema: Persönlichkeitsboxen: Big Five vs. MBTI, Reiss Profile, Enneagramm, Disg

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8 Responses to Individuelle Typen – eine Alternative zu den Funktionen (2)

  1. Lars Lars sagt:

    Leider macht mir das Kommentarsystem hier einen Strich durch die Rechnung, da man im Kommentarbereich nichts unterstreichen kann. Ihr könnt aber stattdessen einen „strong“ Tag setzen, oder ganz einfach dazuschreiben was die ausgeprägteste Eigenschaft ist.

    Mein individueller Typ wäre demnach xTFS

  2. Jay sagt:

    (editiert von Lars: aufgrund der vielen angesprochenen Dinge antworte ich direkt im Kommentar)

    Also mir wurden irgendwelche 625 verschiedene kombinationsmöglichkeiten versprochen und voller Vorfreude habe ich mich auch zusammen gerissen und dieses überlange Test gemacht“ – was auch ein Test einer x-beliebigen Online-Flirt-Community sein könnte. Und was sah ich dort? Exakt die selben 16 Typen und die selben Beschreibungen.

    Hallo Jay! Sorry für das Missverständnis. Du wirst vom Blog auf die Seite gekommen sein, denn auf der Seite steht nichts von 625 Typenbeschreibungen o.ä.. Es geht auch im Artikel nicht darum zig Beschreibungen zu haben, sondern die ganz normalen 16 Typen/Testergebnisse so zu verfeinern, das individuelle Unterschiede innerhalb eines Typs erkennbar werden. Damit lässt sich zeigen das jeder seinen eigenen, persönlichen Typ hat, der eine Variation der 16 Grundtypen ist.
    Mit dem XL-Test kann man herausfinden wie stark die Eigenschaften ausgeprägt sind. Ich weiß nicht was du mit dem Vergleich zu einem Flirt-Community-Test sagen willst? Der XL-Test frägt nicht nach Lieblingsfarbe oder Lieblingsessen. Er erlaubt gezielte Abstufungen (ich kenne keinen anderen Mbti-nahen Test der das erlaubt). Viel anders sehen auch wissenschaftliche Big Five Tests nicht aus.

    Nur, dass halt ein INTP jetzt plötzlich ITLS heisst, es gibt eine Star-Psychologin, die hat den INTP in einen Analytischen Denker umgetauft – was auch für einen normalen Sterblichen noch verständlich klingt. Aber wie kommt man jetzt auf ITLS?

    Ich benutze seit 9 Jahren eigene deutsche Begriffe (bei denen sich übrigens auch besagte, selbsternannte “Star-Psychologin” bedient hat), weil ich die englischen Bezeichnungen im Deutschen unverständlich finde. Siehe z.B. hier oder Vergleichstabelle hier. Daher heißen die Typen bei mir anders als im englischen, sind aber die Gleichen.

    Noch besser – es werden sogar ein paar Prominente als Beispiele genannt. Edward aus Twilight – ein erfundenes Comic-Held ist also INTP. So-so wie interessant. Und was ist denn das für ein Beruf: Computer-Spezialist?

    Die prominenten und fiktiven(!) Beispiele dienen der Unterhaltung und sind nicht 100% ernst zu nehmen. Die Meisten Leser freuen sich über bestimmte Beispiele und ärgern sich über andere ;).

    Nun, mein Sinn für Zusammenhänge lässt mich vermuten, dass der Autor der ja so begeistert von MBTI war und es verworfen hat, weil er Sozionik entdekt hat welches er wiederum verworfen hat in den nächsten 5 Jahren auch dieses hier zu nichte macht und uns mit einem noch besserem System vertraut macht. Ich bin schon gespannt was es sein wird. Vielleicht ITBM?

    Was ist verkehrt daran etwas zu verwerfen das nicht funktioniert? Abgesehen davon ist deine Aussage falsch: mein Blogartikel bezieht sich nicht auf das gesamte System, sondern lediglich auf die Funktionsmodelle(!) der Beiden. Die habe ich aus gutem Grund verworfen, siehe Vorartikel.
    Schade das du nichts zum eigentlichen Inhalt des Artikels schreibst.

  3. Winfried Wirzberger sagt:

    Hallo Lars,

    wie wäre es mit noch einer feineren Unterteilung?
    Eine leichte Präferenz z.B. mit Kleinbuchstaben,
    mittlere Präferenz normal u.
    starke Präferenz mit fetten Buchstaben?
    Ich denke dass es sinnvoll wäre die Anzahl der x bei der Angabe des Typs auf max. 2 Stück zu begrenzen, denn der Typ xxxx würde rein gar nichts aussagen.
    Das x sollte meiner Ansicht nach wenn möglich vermieden werden, und eine leichte Präferenz mit Kleinbuchstaben angegeben werden.
    Jetzt teste ich mal ob das HTML Attribut für Fettdruck funktioniert. Fett

    Ich wäre nach diesem modifizierten Schema: eTlS

    Hmm. Vorschau ist nicht möglich. Dann probiere ich das einfach mal.

  4. Lars Lars sagt:

    Hi Winfried,

    Das hab ich mir auch schon überlegt. Würde definitiv Sinn machen mit den Kleinbuchstaben, aber das ist dann evtl. zu viel Durcheinander mit groß, klein und unterstrichen/fett.
    Ich würde die x’e nicht begrenzen. Denn die Wahrscheinlichkeit das jemand wirklich bei 3-4 Eigenschaften unentschieden ist, ist doch eher gering. Und wenn es wirklich so ist, dann soll er/sie ruhig xxxx schreiben, immerhin stimmt es ja.

  5. Winfried Wirzberger sagt:

    Hallo Lars,

    ich vermute dass es gar nicht nötig ist den Leuten eine Beschränkung aufzuerlegen, da ich es für recht unwahrscheinlich halte dass mehr als eine Handvoll an Leuten gibt die sich bei allen vier Kategorien nicht eindeutig festlegen können.

    Wenn ich jetzt mal vom Typentest XL ausgehe dann reicht ja bereits ein Punkt Unterschied um eine Tendenz anzugeben. Ok, bleibt natürlich die Frage wie gut man sich selber einschätzt.
    Andererseits halte ich eine weitere Differenzierung schon für gut, denn wenn jemand bei einer Kategorie nur gerade so „hineinrutscht“ der wirkt sicherlich anders als jemand der sich komplett auf einer Seite einer Kategorie sieht.
    Was mir allerdings ein wenig missfällt ist dass der Kleinbuchstabe l bei manchen Schriftarten wie ein der Großbuchstabe I aussieht, auch wenn da vom Schema her ein L stehen muss und kein i.

    Halten wir die Sache doch demkratisch. Lassen wir die Leser des Blogs abstimmen. Mal sehen ob die Wahlbeteiligung höher als bei der Abstimmung über Stuttgart 21 ausfällt. *g*

    Gruß
    Winfried

  6. Lars Lars sagt:

    Wahrscheinlich nicht viel höher 😉

  7. Martin Schulze sagt:

    Lars, entschuldige bitte, wenn ich auf einen neun Jahre alten Artikel kommentiere. Kürzlich kam mir eine Kritik der „Theorie“ der 16 Lebensmotive von Prof. Dr. Waldemar Pelz unter. Der Professor zerreißt darin die Reiss-Profile u.a. deshalb, weil es keine Theorie, sondern nur eine Typologie sei. Genau das macht du mMn oben auch, wenn du die Funktionen einfach rausnimmst.

  8. Lars Lars sagt:

    Hallo Martin,

    der Artikel ist mittlerweile nicht mehr relevant und die Idee darin wurde verworfen.

    Zu den Funktionen: oben im ersten Satz des Artikels findest du die Verlinkung zum vorherigen Artikel. Darin geht es darum, dass die Funktionstheorie vom MBTI gemäß wissenschaftlicher Studien – und die sind entscheidend für jedes Persönlichkeitsmodell, da sie dessen Aussagekraft in der Realität überprüfen – nichts weiter als unwissenschaftlicher Unsinn ohne Grundlage ist. Und damit in der Praxis keine Aussagekraft hat. Es macht also keinerelei Sinn sie irgendwo zu verwenden. In der Psycholgie wird sie nicht beachtet und wurde sie auch auch nie verwendet. Sie ist ein reines Produkt der Jung/MBTI Community und wird nur von dieser verwendet, da es dort mehr um den „Glauben“ an diese Theorien geht, und weniger darum ob sie denn tatsächlich nachweisbar funktionieren.

    Schöne Grüße
    Lars

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