Leserfrage:
Was mich am Big Five Test stört, ist dass er durch seine Bezeichnungen schon indirekt Wertungen suggeriert. Natürlich wird dann zwar immer erklärt, dass er solcherlei Wertungen gar nicht vornehmen möchte und jede Charakterausprägung je nach Lebenssituation mal Vor- und mal Nachteile mit sich bringen kann.
Trotzdem ist die Suggestionswirkung aber da, zumindest für den psychologischen Laien. Warum ist dies so?
Antwort:
Das Problem ist: Jeder Begriff für eine Persönlichkeitseigenschaft, egal ob bei den Big Five oder sonstwo, ist nur ein Kompromiss. Denn jede Eigenschaft beeinhaltet verschiedenste Facetten, die mit einem einzelnen Begriff nicht abzudecken sind. Extraversion und Introversion sind nur deswegen neutral, weil diese Begrifflichkeiten urpsprünglich für genau diese Eigenschaften erfunden wurden und nichts anderes bezeichnen als eben diese.
Die Big Five dagegen wurden nicht im klassischen Prinzip „erfunden“. Sie wurden eher entdeckt: Nach dem lexikalischen Prinzip hat man Leute sich mit tausenden von Wörtern einschätzen lassen und dann mittels Statistik ermittelt, welche Eigenschaften am Häufigsten zusammen genannt werden. Zum Beispiel aktiv, kontaktfreudig und energiegeladen für die Eigenschaft Extraversion. Durch Studien solcher endlos langer Listen von beschreibenden Wörter und die Gruppierung der am Häufigsten zusammen genannten Wörter entstanden dann die fünf Eigenschaftskomplexe der Big Five. Für die musste man natürlich Namen finden, die sie halbwegs gut beschreiben – Kompromisse.
Die Suggestionswirkung einer negativen oder positiven Bedeutung dieser Persönlichkeitseigenschaften ist deshalb da, weil es tatsächlich so ist: In unserer Kultur gelten etwa hohe Gewissenhaftigkeit und hohe Veträglichkeit als Vorteil und erstrebenswert. Das kommt nicht durch die Testersteller, sondern dadurch wie die Mehrheit der Menschen sich selbst und andere sieht (siehe lexikalisches Prinzip im vorigen Absatz). Wir Menschen sehen diese Eigenschaften als negativ und positiv, nicht die Testersteller. Hätte man die Big Five nachträglich so verändert und bearbeitet, dass alle Eigenschaften komplett neutral sind, dann hätte man die Realität verbogen und einen Test geschaffen, der nur künstlich erschaffene Eigenschaften misst (Das ist z.B. beim MBTI der Fall). Da man aber ein möglichst realitätsnahes Persönlichkeitsmodell schaffen wollte, klingen manche Eigenschaften eher positiv und andere eher negativ – weil wir sie so sehen.
Selbst eine Frage stellen: lars@typentest.de
Beim MBTI wird deutlich, dass die vier Grundtypen sehr unterschiedlich verteilt sind. So sind z.B. weniger als 10% der Menschen Intellektuelle / Rationalisten.
Wenn man nun die Werte des durchschnittlichen Menschen bzw. aller Menschen als Maßstab für die Wahl von Skalennullpunkten heranzieht, dann werden faktisch die vorherrschenden Typen (Wächter und Artisanen) als normal erklärt, während die Ingenieure, Analysten etc. mit Attributen wie über- und unterdurchschnittlich (überdurchschnittlich offen und unterdurchschnittich empathisch) belegt und damit bewertet werden. Da finde ich 16 bzw. 32 Typen sympathischer weil neutraler.
Hallo Martin,
klar sind die Typen im MBTI sympathischer/neutraler. Die sollen sich ja auch gut anfühlen und schön klingen. Bei den Big Five geht es aber darum reales Verhalten abzubilden. Und das hört sich dann eben teilweise negativ an.
Schöne Grüße
Lars