Die Big Five unterteilt in 10 Facetten nach Peterson

Laut einer Studie lassen sich die Big Five am Besten in 10 Facetten unterteilen, zwei pro Eigenschaft. Ich sehe mir genauer an, wie sinnig oder unsinnig das ist.

5 x 2 – Die optimale Lösung?

Die Big Five der Persönlichkeit sind seit 30 Jahren der Konsens und Gold Standard der Persönlichkeitsforschung. Wie sie jedoch im Detail interpretiert werden, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen. Eine davon ist die des Psychologieprofessors Jordan B. Peterson, der zusammen mit seinen Kollegen eine Studie gemacht hat, nach der sich jede Big Five Eigenschaft am sinnvollsten in zwei weitere Unterskalen aufteilen lässt:

Extraversion wird unterteilt in:

  • Enthusiasmus (Spontane Freude und Aktivität)
  • Entschlossenheit (Soziale Dominanz, meist verbal)

Offenheit für neue Erfahrungen wird unterteilt in:

  • Offenheit (Kreativität und Empfänglichkeit für Ästhetik)
  • Intellekt (Interesse an abstrakten Konzepten und Ideen)

Verträglichkeit wird unterteilt in:

  • Einfühlsamkeit (Die Emotionen anderer nachvollziehen, Empathie)
  • Höflichkeit (Sich an zwischenmenschliche Verhaltensregeln halten)

Gewissenhaftigkeit wird unterteilt in:

  • Fleiß (Zielgerichtete, konstante Bemühungen)
  • Ordentlichkeit (Planen, organisieren und ordnen)

Neurotizismus/Empfindlichkeit wird unterteilt in:

  • Vermeidung (Sich bei Unsicherheit zurückzuziehen)
  • Reizbarkeit (Irritiert und verärgert zu werden, wenn etwas schiefgeht)

Macht diese Aufteilung Sinn?

Die jeweils zwei Unterteilungen sind gut gewählt, sie machen die Grundeigenschaften anschaulicher und bieten gerade für den Laien eine willkommene Möglichkeit der Vertiefung. Zum Beispiel könnte man feststellen, dass man als Extrovertierter zwar sehr enthusiastisch ist im Umgang mit anderen, aber lange nicht so entschlossen. Das hilft, die eigene Persönlichkeit oder die anderer besser einschätzen und verstehen zu können.
Aber die Unterteilungen unterschlagen auch wichtige Teile der Eigenschaften, z.B. Altruismus und Bescheidenheit bei der Verträglichkeit. Oder Selbstdisziplin und Besonnenheit bei Gewissenhaftigkeit. Bei Neurotizismus wird dies meiner Meinung nach am Deutlichsten: Die beiden Facetten Vermeidung und Reizbarkeit machen diese Eigenschaft nur zu einem geringen Teil greifbar. Es fehlen die entscheidenden Aspekte der Ängstlichkeit, der depressiven Symptome, der generellen Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit durch das Urteil anderer, sowie des impulsiven, durch kurzfristige Eingebungen getriebenen Verhaltens.
Das sind natürlich detaillierte Kritteleien von mir als Experten. Für den Laien ist diese Herangehensweise der 10 Unterteilungen dennoch informativ und in keinster Weise falsch.

Einerseits lassen sich also anhand der 10 Facetten Erkenntnisse gewinnen im Vergleich zur Betrachtung der fünf Eigenschaften ohne Unterskalen. Gleichzeitig werden aber auch einige Aspekte verloren oder als nebensächlicher dargestellt, als sie es sind. Im Vergleich dazu gibt es noch andere Möglichkeiten, die Big Five weiter aufzuteilen. In der klassischen Variante des NEO-PI-R wird jede Eigenschaft in 6 Facetten aufgeteilt, wodurch sich natürlich noch mehr und detailliertere Verhaltensweisen analysieren lassen. Dann gibt es noch die Variante des HEXACO, bei der jeder Eigenschaft vier Facetten zugeordnet werden, und Ehrlichkeit-Bescheidenheit komplett von der Eigenschaft Verträglichkeit losgelöst und als sechste Eigenschaft hinzugefügt wird, sozusagen die BIG SIX.

Die BESTE Unterteilung?

Vom wissenschaftlichen Standpunkt gibt es Für und Wider für jede der Varianten, es hat sich nichts davon als klar besser herausgestellt. Das Entscheidende: Alle sind gut! Peterson beruft sich in seiner Variante auf Studien der genetischen Grundlagen hinter der Persönlichkeit. Das machen andere Varianten allerdings auch. Es sind einfach unterschiedliche Sichtweisen und Blickwinkel auf die bei allen gleiche Grundlage: Unsere Persönlichkeit. Ungefähr so, als würde man verschiedene Maler ein Porträt der gleichen Person erstellen lassen. DIE perfekte oder BESTE Unterteilung gibt es nicht, wird es vielleicht auch nie geben. Das sieht man allein schon daran, dass bei allen erwähnten Modellen jede Eigenschaft gleich viele Unterskalen hat, also bei allen ein künstlich erzeugtes Modell ist.
Die Studie von Peterson stammt von 2007, und auch wenn sie vielfach zitiert wurde, hat das Modell der 2 Facetten pro Eigenschaft sich seitdem in keiner Weise gegen die klassischen Big Five oder die Variante mit 6 Facetten pro Eigenschaft durchgesetzt.

Viele Zahlen, ein Fazit

Bietet die von Peterson vorgeschlagene Art der Unterteilung der Big Five in je 2 Unterskalen einen Mehrwert, einen Erkenntnisgewinn? Ja. Ist dieses System besser als die „puren“ Big Five oder als andere Möglichkeiten, diese zu unterteilen? Nein. Es ist ein weiter Blickwinkel, eine informative Sichtweise.

Quelle:
Between facets and domains: 10 aspects of the Big Five; CG DeYoung, LC Quilty, JB Peterson; 2007

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2 Responses to Die Big Five unterteilt in 10 Facetten nach Peterson

  1. Ich habe bei dem anderen Artikel bereits einen ausführlichen Kommentag hinterlassen, wollte nur kurz sagen, dass die deutschen Übersetzungen der Begriffe nicht ganz gelungen sind, bzw. in die Assoziationsfalle tappen.

    Beispielsweise wurde bei https://understandmyself.de die „Verträglichkeit“ als „Umgänglichkeit“ übersetzt, weil die deutsche Verträglichkeit imho zu sehr mit Lebensmitteln bzw.allerlei anderem „unversträglichen“ verbunden wird.

    Die Typentestleser könnten den Test bei Eingabe des Gutscheincodes „TYPENTEST“ für 12,90 Euro machen, Spontanversprechen das aber auch gehalten wird! MFG Johnny Rockermeier

  2. Lars Lars sagt:

    Hallo Johnny!

    Das Problem ist: Jeder Begriff für eine Eigenschaft, egal ob im Original oder übersetzt, ist nur ein Kompromiss und keiner kann die Eigenschaft perfekt beschreiben. Ausnahme ist hier Extraversion/Introversion, weil die Begriffe genau dafür erstellt wurden. Umgänglichkeit finde ich ok als Begriff.

    Schöne Grüße
    Lars

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