Warum auf Persönlickeitstests bei Bewerbungen und in Assessment Centern verzichtet werden sollte
Persönlichkeitstests sind hervorragend dazu geeignet mehr über sich selbst und auch andere zu erfahren. Aber kann man damit die berufliche Qualifikation einer Person beurteilen?
Unsere Persönlichkeit spielt selbstverständlich auch im Beruf eine große Rolle: Sie hat Einfluss auf unsere Interessen, wie wir mit anderen Menschen umgehen und unsere Einstellung zu verschiedenen Tätigkeiten. Schon der griechische Philosoph Platon hat sich vor 2.400 Jahren Gedanken darüber gemacht, ob man Arbeitnehmer unter anderem anhand von Informationen über die Persönlichkeit auswählen kann.* Die Verlockung ist groß, anhand eines Persönlichkeitstests den perfekten Job oder den perfekten Mitarbeiter zu finden. Doch so leicht ist es nicht. Während ein Test auf Basis der Big Five der Persönlichkeit durchaus ein bisschen etwas über die Eignung einer Person aussagen kann, gibt es andere Dinge, die dies wesentlich besser können. In Studien hat sich gezeigt: Am effektivsten sind generell Arbeitsproben, gefolgt von Intelligenztests, Tests zu berufsrelevantem Wissen, strukturierten Interviews und Probearbeiten.* Wenn überhaupt, dann sollte ein Persönlichkeitstest also nur eine sehr untergeordnete Rolle bei der Wahl von Beruf oder Bewerber spielen.
Wird ein Persönlichkeitstest bei der Bewerberauswahl eingesetzt, stellt sich für beide Seiten die spannende Frage: Kann man beim Persönlichkeitstest schummeln? Die Antwort darauf lautet: Ja, kann man. Schließlich beantwortet man im Test ausschließlich Fragen über sich selbst. Die Antworten darauf kann dementsprechend niemand besser wissen als man selbst. Ein absichtliches Beeinflussen der Ergebnisse in eine bestimmte Richtung ist daher problemlos möglich.* Viele Tests haben allerdings Gegenmaßnahmen: Zum einen gibt es Lügenskalen, die herausfinden sollen, wie genau wir es mit der Wahrheit nehmen und ob wir allgemein dazu neigen zu flunkern. Zum anderen vergleichen viele Tests unsere Antworten miteinander. Wenn die Frage „Ich unternehme auch außerhalb der Arbeitszeiten gerne etwas mit Kollegen“ mit voller Zustimmung beantwortet wird, aber zwei Seiten weiter die Gegenfrage „Ich unternehme außerhalb der Arbeitszeiten nicht gerne etwas mit Kollegen“ ebenfalls, dann wurde entweder nach dem Zufallsprinzip angekreutzt, oder versucht, sich im Test anders darzustellen, als man in Wirklichkeit ist. Natürlich lassen sich auch solche Lügendetektoren austricksen, indem man genau aufpasst und den Testaufbau kennt. Aber mal ehrlich: Wenn die Firma, bei der man sich bewirbt, einen bodenständigen, stark extrovertierten Mitarbeiter sucht, man aber das genaue Gegenteil davon ist, dann ist es ziemlich sicher nicht die richtige Stelle. Schummeln wäre kontraproduktiv – für Bewerber und Arbeitgeber. Abgesehen davon weiß man oft gar nicht, was der Arbeitgeber genau erwartet oder wie die Ergebnisse intern beurteilt werden. Wer dennoch einen Job will, der eigentlich nicht seinem Naturell entspricht, sollte besser im Bewerbungsgespräch klarmachen, warum gerade er oder sie der oder die Richtige für die Stelle ist – trotz oder gerade wegen eines untypischen Profils. Sich in die eine oder andere Richtung etwas positiver darzustellen als man ist, machen die meisten Menschen und stellt kein Problem dar. Komplett verstellen sollte man sich allerdings nicht – weder bei einem Persönlichkeitstest, noch in der Realität.
Für Arbeitgeber sei gesagt: Ein Persönlichkeitstest kann bei der Personalauswahl zusätzlich zu anderen Kriterien in einem eingeschränkten Rahmen hilfreich sein, aber er muss es nicht. Er ist geeignet, wenn ein ganz bestimmtes Profil gesucht wird, z. B. eine sehr introvertierte oder sehr extrovertierte Person. Oder wenn eine Person hauptsächlich kreative, neue Ideen bringen soll oder harte Verhandlungen führen muss. Allerdings ist davon auszugehen, dass wenn ein Jobprofil z. B. ganz klar sehr extrovertiertes Verhalten erfordert, dass sich dann sowieso hauptsächlich extrovertierte Bewerber darauf melden werden – und dass diese sehr extrovertierten Bewerber auch mit ganz normaler Menschenkenntnis im Bewerbungsgespräch oder anhand ihres Lebenslaufs und vorheriger Beschäftigungen erkennbar sind. Dazu braucht es keinen ausgeklügelten Persönlichkeitstest.
Im Zusammenhang mit Berufserfolg wird oft die Persönlichkeitseigenschaft des geplanten Lebens genannt (Gewissenhaftigkeit bei den Big Five). Dazu gibt es Folgendes zu beachten: Zwar hat sich in Studien immer wieder gezeigt, dass dieser Faktor konstant zum beruflichen Erfolg beiträgt.* Allerdings ist dieser Zusammenhang nicht allzu stark. Das heißt, er ist vorhanden, macht aber nur einen kleinen Unterschied. Einen Bewerber zu bevorzugen, weil er in diesem Bereich besser abschneidet als ein anderer, ist ungefähr so, wie einen Bewerber zu bevorzugen, weil er fünf Jahre Berufserfahrung hat, anstatt viereinhalb. Das macht zwar einen Unterschied, aber eben nur einen kleinen. Die Persönlichkeitsmerkmale, die mithilfe eines Tests festgestellt wurden, sollten daher keine entscheidende Rolle bei der Bewerberauswahl spielen. Es sei denn, es wird aus triftigen Gründen ein ganz bestimmtes Profil gesucht. Aber auch dann sollte mehr die echte Qualifikation als die Ergebnisse eines Tests gewertet werden – sonst sitzt vielleicht bald nicht die am besten geeignete Person im Büro, sondern diejenige Person, die am besten vorgeben kann, geeignet zu sein. Auf jeden Fall sollte klar sein, dass ein Persönlichkeitstest kein magisches Auswahlwerkzeug ist, um den richtigen Kandidaten zu finden, sondern im schlechtesten Fall komplett falsche(!) Hinweise, und im besten Fall einige moderate Hinweise auf die Eignung gibt – zusätzlich zu wesentlich aussagekräftigeren Kriterien.
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– Platon: Politea
– Frank L. Schmidt, John E. Hunter: The validity and utility of selection methods in personnel psychology: Practical and theoretical implications of 85 years of research findings. Psychological Bulletin 1998
– Delroy L. Paulhus, M. Nadine Bruce, Paul D. Trapnell: Effects of Self-Presentation Strategies on Personality Profiles and their Structure. Personality and Social Psychology Bulletin 1995
– Murray R. Barrick, Michael K. Mount, Timothy A. Judge: Personality and Performance at the Beginning of the New Millennium: What Do We Know and Where Do We Go Next? International Journal of Selection and Assessment 2001