Ohne Zwillingsstudien wären wir ahnungslos
Heutzutage weiß man, dass ein großer Teil unserer Persönlichkeit genetisch festgelegt, also angeboren ist. Das hat man durch Zwillingsstudien herausgefunden.
Zwillingsstudien sind – wie man unschwer erraten kann – Studien mit Zwillingen. Da Zwillinge sich größtenteils das gleiche Erbmaterial teilen, sind sie sich in der Regel nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrer Persönlichkeit sehr ähnlich, wenn auch nicht komplett gleich. Dabei sind sich eineiige Zwillinge ähnlicher als zweieiige und als normale Geschwister untereinander. Richtig interessant wird es, wenn man Zwillinge betrachtet, die getrennt voneinander in unterschiedlichen Familien aufgewachsen sind: Diese Zwillinge sind sich nämlich trotz unterschiedlicher Kindheitserfahrungen in ihrem Verhalten immer noch sehr ähnlich – erstaunlicherweise sogar fast genauso ähnlich wie solche, die zusammen aufgewachsen sind.
Daher weiß man, dass diese Ähnlichkeiten nicht etwa durch geteilte Erlebnisse und die familiäre Umgebung entstehen, sondern angeboren sind. Aus diesen Studien konnte man schließen, dass mehr als 50 Prozent unserer Persönlichkeit auf genetische Grundlagen zurückzuführen sind. Die Forschung zu diesem Thema ist allerdings noch lange nicht am Ende angelangt. Erst langsam beginnen wir zu verstehen, wie viel Einfluss unsere Gene wirklich haben. Eine in Deutschland mit 919 Zwillingspaaren durchgeführte Studie kam sogar zu dem Schluss, dass wahrscheinlich bis zu zwei Drittel unserer Persönlichkeit (bzw. der Teil der Persönlichkeit, den wir mit Tests messen) angeboren sind.
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– J. Bouchard, David T. Lykken, Matthew Mcgue, Nancy L. Segal, Thomas J. Bouchard, David T. Lykken, Matthew Mcgue, Nancy L. Segal, Auiue Tellegen: Sources of human psychological
– Christian Kandler, Rainer Riemann, Frank M. Spinath, Alois Angleitner: Sources of Variance in Personality Facets: A Multiple-Rater Twin Study of Self-Peer, Peer-Peer, and Self-Self (Dis)Agreement. Journal of Personality 2010
Wow dieser Beitrag ist sehr wertvoll. Das kann starke Aussagen geben, wenn man sich bestimmte Eigenschaften aneignen will und sich manche Personen schwerertun als andere. Oder in Zukunft anhand den DNA ein Persönlichkeitstest machen. Ich kämpfe lange mit Disziplin zum Beispiel. Wie könnte einer Person mit mir das Helfen um so etwas zu umgehen und schneller ans Ziel zu kommen. Danke für den Beitrag.
Ich finde es fatal davon zu sprechen wieviel Prozent der Persönlichkeit genetisch bedingt sind. Prozente sind absolute Werte und stellen immer ein gemessenes Verhältnis dar. Das „gefährliche“ einer solchen Angabe ist, dass sie immer wieder als Grundlage dienen bestimmtes Verhalten zu entschuldigen („Kann ich nichts für, sind meine Gene“). Das die Persönlichkeit nicht unwesentlich genetisch mit geprägt ist, steht außer Frage. Das sie aber bis ins hohe Alter veränderbar ist, ebenfalls (Siehe https://www.fu-berlin.de/presse/informationen/fup/2014/fup_14_327-persoenlichkeitsentwicklung-studie-jule-specht/index.html).
Im Sinne der Persönlichkeitsentwicklung sollte daher meines Erachtens nach weniger hervorgehoben werden, inwieweit jeder einen unterschiedlichen (genetisch bedingten) Start hat, sondern welche Möglichkeiten jeder hat einen Einfluss auf Persönlichkeit und damit auch langfristig auf Verhalten, zu nehmen.
Hallo Frank,
kann dir generell zustimmen, aber warum ist denn die Prozentangabe so schlimm?
Zum einen ist das ja nur eine Schätzangabe für die Statistik, keine absolute Zahl, die sich direkt auf eine einzelne Person anwenden lässt. In der Forschung werden solche Angaben benötigt, um herauszufinden und darüber diskutieren zu können, wie viel der Persönlichkeit angeboren ist. Dieser angeborene Teil nimmt nun mal großen Einfluss auf unser Leben, siehe z.B. die Dunedin-Studie.
Zum anderen, egal wie viel % der Persönlichkeit unserem Einfluss unterliegt, gibt es doch immer die Motivation, darauf Einfluss zu nehmen. Selbst wenn es nur 10% wären.
Gerade im Bereich der unzähligen Selbsthilfebücher und Coaches zu allen möglichen Themen ist es doch durchaus sinnvoll, dem an Veränderung Interessierten zu sagen: „Kuck, ein großer Teil deines Verhaltens ist angeboren. Das lässt sich nicht von heute auf Morgen ändern und du wirst auch nicht vom einen Ende der Skala ans komplett andere Ende kommen. Aber mit Arbeit und Ausdauer kannst du dich zumindest ein Stück weit auf der Skala bewegen ODER lernen, in bestimmten Situationen andere Verhaltensweisen anzuwenden (genauso beschreibe ich das übriegens auch in meinem Buch).
Schöne Grüße
Lars