Die Dunedin Langzeitstudie über disziplinierte Neuseeländer

Wie wir als dreijähriges Kind waren, sagt ebenso viel über uns wie unsere heutige Intelligenz

Eine Gruppe von 1000 Neuseeländer Frauen und Männern wird seit 1972, als sie im Alter von 3 Jahren waren, ausführlich medizinisch untersucht und zu ihren Lebensumständen befragt. Dabei herausgekommen ist eine faszinierende Langzeitstudie – die immer noch läuft – und uns viel über das menschliche Wesen verrät.

Das Unglaubliche: Welchen Grad an Selbstkontrolle die Teilnehmer als Dreijährige(!) aufwiesen, sagt bereits etwas über ihre späteren Lebensumstände aus. Diejenigen mit höherer Selbstbeherrschung hatten später eine bessere Gesundheit, höheren Wohlstand und positivere soziale Umstände. Niedrige Selbstkontrolle zeigte später Zusammenhänge mit Kriminalität, niedrigerem Wohlstand, ungewollter Schwangerschaft, der Wahrscheinlichkeit für einen Schulabbruch und einen ungesunden Lebensstil.
So erstaunlich das ist, so bestätigt es doch eine Erkenntnis, die wir bereits seit einiger Zeit haben: Unsere Kernpersönlichkeit, wer wir sind und wie wir uns verhalten, ist durch unsere Gene vorgegeben und verändert sich im Lauf des Lebens meist nur wenig. Entgegen den Erwartungen spielt das Lebensumfeld, also Familie, Erziehung, Freunde, Erlebnisse, etc. eine erheblich geringere Rolle bei der Entwicklung unserer Persönlichkeit als die Gene. Das konnte man auch durch einen Vergleich von 500 britischen Zwillingen feststellen, bei denen der Geschwisternteil mit niedrigerer Selbstkontrolle als kleines Kind auch später entsprechend weniger kontrolliertes Verhalten zeigte – trotz des gleichen Elternhauses.
In der Studie mit den 1000 Neuseeländern wurde zudem auch die Intelligenz und das soziale Umfeld der Teilnehmer berücksichtigt. Beides hatte unabhängig voneinander einen ungefähr gleich großen Einfluss auf ihre späteren Lebensumstände wie die Selbstbeherrschung.

In unserer Persönlichkeit wird Selbstkontrolle hauptsächlich in einer Persönlichkeitseigenschaft gemessen: der Gewissenhaftigkeit, eine der fünf großen Eigenschaften des Big Five Persönlichkeitsmodells. Sie beschreibt, wie zielstrebig und kontrolliert wir uns Verhalten. Weiteren Einfluss hat ebenfalls die Eigenschaft des Neurotizismus: die Empfindlichkeit auf negative Emotionen. Menschen mit hohem Neurotizismus haben meist eine niedrigere Impulskontrolle, d.h. sie können verlockenden aber potentiell schädlichen Dingen schwerer widerstehen, z.B. Alkohol oder Zigaretten.

Auch wenn sich die meisten Menschen im Verlauf ihres Lebens nur wenig verändern, heißt das nicht, dass es unmöglich ist. In der Studie hat sich auch gezeigt, dass einige Teilnehmer ihre Selbstkontrolle und Disziplin im Laufe des älter Werdens verbessert haben. Auch das entspricht den Erkenntnissen, die wir über unsere Persönlichkeit haben: Veränderung ist in einem gewissen Rahmen und über gewisse Zeiträume hinweg möglich. Entweder durch veränderte Lebensumstände, oder wenn wir uns bewusst dazu entschließen.
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Verwandte Themen:

  • Um Selbstkontrolle und wie man sie lernen und aufrecht erhalten kann, geht es in der Rubrik über Disziplin.
  • Die Kontrolle über die eigenen Emotionen zu haben – negative wie positive – und auch die Emotionen von anderen Menschen beeinflussen zu können, nennt man Emotionale Intelligenz.
  • Mit negativen Einflüssen schlecht umgehen zu können und nur geringe Kontrolle über die eigenen Reaktionen darauf zu haben, nennt man Vulnerabilität.
  • Das Gegenteil von diszipliniertem Handeln ist Prokrastination: Das krankhafte Aufschieben von unwichtigen und wichtigen Tätigkeiten.
  • Selbstbestimmt zu Handeln und Dinge vorbeugend zu tun, bevor die Umgebung einen dazu zwingt nennt man Proaktiv.

Quelle: Moffitt, Terrie E., et al. „A gradient of childhood self-control predicts health, wealth, and public safety.“ Proceedings of the National Academy of Sciences 108.7 (2011): 2693-2698.

Bild: Kaikoura peninsula von Andrea Schaffer, Flickr

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2 Responses to Die Dunedin Langzeitstudie über disziplinierte Neuseeländer

  1. KBCS sagt:

    OK, also erstmal vielen Dank. Durch ihren Blog bin ich überhaupt erst auf das System der Typolgie von C.G. Jung aufmerksam geworden. Allerdings einige Punkte sind dann doch eher zu bemängeln von mir:
    1. Die Deutschen Bezeichnungen: Irreführend für Leute die mit dem MBTI/Jung System vertraut sind
    2. Oberflàchliche Analysen: Auf die 8 Funktionen wird gar nicht eingangen. Sondern nur die alten Regwln werden bedient. Dabei braucht es zur direkten Analyse eines Types die Funktionen wie Extrovertiertes Denken, Introvertie Intution. Zur Analyse eines Typens ist etwas mehr notwendig. Es siwht so aus als basiere die Analyse eines Typen aus Oberflàchlichkeiten.“ X ist an Wissenschaften interresiert – N Typ“.
    3. Bias gegen N Typen: Die Klischees der N und S Typen werden bedient. N Typen werden als offen und intelliegent beschrieben. S Typen als neuem gegenüber unaufgeschlossen.

    Im Allgemeinen sieht es so aus ala ob das System eher von David Keirsey als Carl Gustav Jung beeinflust ist. Richrig?

    Ansonsten würde ich ihnen empfehlen auf die Seite Celebritytypes.com einen Blick zu werfen.

  2. Lars Lars sagt:

    Hallo KBCS,

    der Typentest orientiert sich nicht am System von MBTI/Jung, sondern an den wissenschaftlichen Big Five. Daher sind entsprechende Vergleiche sinnlos. Ursprünglich komme ich auch aus der MBTI/Jung Richtung, halte aber schon seit längerem nicht mehr viel von diesem veralteten System. Zu dem Thema habe ich auch bereits etliche Artikel beschrieben, die hier zu finden sind.

    Schöne Grüße
    Lars

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