Interview zum Thema Menschenkenntnis

In der Zeitschrift „Von Frau zu Frau“ gibt es ein Interview mit mir zum Thema „Wie gut ist Ihre Menschenkenntnis?“. Aufgrund meines Buches „Menschenkenntnis – der große Typentest“ wurden mir einige spannende Fragen zum Thema gestellt:

Interview mit Lars Lorber zum Thema Menschenkenntnis

Warum lohnt es sich überhaupt, die eigene Menschenkenntnis zu schulen?  Wie hilft uns Menschenkenntnis im Alltag, im Beruf, in der Familie, bei Behördengängen?

Die wichtigste Erkenntnis ist: jeder Mensch hat seine eigene, individuelle Persönlichkeit, und dennoch haben wir alle Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel brauchen und mögen wir alle den Kontakt mit anderen Menschen, nur in unterschiedlichem Umfang: manche mehr, manche weniger. Diese Unterschiede können bisweilen sehr groß sein. Zu verstehen, dass andere Menschen sehr unterschiedliche Verhaltensweisen und Bedürfnisse im Vergleich zu uns selbst haben können, und was diese bedeuten, hilft in allen Situationen, in denen wir mit Menschen zu tun haben.

Wie kommt es dazu, dass wir uns manchmal in Menschen völlig täuschen? Kann man wirklich jeden Menschen durchschauen? Was ist mit Menschen, die ständig schauspielern? Liegt es vielleicht an uns selbst, wenn wir uns täuschen, zum Beispiel an Vorurteilen oder Glorifizierungen?

Oft projizieren wir unsere eigenen Vorstellungen auf andere Menschen und wundern uns, wenn diese Menschen sich dann nicht unseren Vorstellungen entsprechend verhalten. Das liegt dann nur an unseren Erwartungen, nicht an unserem Gegenüber. Deswegen ist es wichtig, jeden Menschen so zu nehmen wie er ist, und nicht so wie wir ihn gerne hätten. Jeder Mensch ist unterschiedlich, und wir können von anderen nicht erwarten, dass sie alles so machen wie wir es machen. Verstellt sich dagegen jemand absichtlich, ist es manchmal sehr schwer, dies zu durchschauen. Hier hilft es darauf zu achten, ob sich diese Person natürlich verhält oder ob sie sich verstellt und nur ein bestimmtes Bild von sich darstellen will.

Was geschieht, wenn wir unseren Persönlichkeitstyp nicht entwickeln dürfen, etwa durch die Erziehung?

Das führt in der Regel zu Problemen. Man kann niemanden zwingen anders zu sein als sein Naturell das vorgibt. Eine Veränderung kann nur durch die Person selbst erfolgen. Wer gezwungen wird, von seinen natürlichen Verhaltensweisen abzuweichen, zum Beispiel eine sehr introvertierte Person, die ständig auf laute und anstrengende Partys mitgeschleift wird, wird sich kurz- und auch langfristig unwohl in seiner Haut fühlen.

Kann man sich selbst gut einschätzen oder können Außenstehende das besser?

Grundsätzlich kann sicher jeder selbst am besten einschätzen, denn natürlich kennt niemand die eigenen Gedanken und Gefühle besser. Wo wir uns allerdings häufig verschätzen, ist im Vergleich zu anderen: zum Beispiel wenn wir den eigenen Drang zur Ordnung gar nicht bemerken, aber unser Umfeld deutlich sieht, das diese Eigenschaft bei uns sehr viel stärker ausgeprägt ist, als bei den meisten anderen Menschen.

Kann man bewusst und gezielt den eigenen Persönlichkeitstyp ändern? Kann ich zum Beispiel ein extrovertierter Mensch werden, wenn mich meine Schüchternheit nervt?

Schüchternheit ist keine feste Persönlichkeitseigenschaft, sondern ein angelerntes Verhalten, dass sich auch wieder abtrainieren lässt. So wie sich beim Sport Muskeln trainieren lassen, können wir auch den sozialen Umgang mit anderen Menschen lernen und trainieren. Die grundlegende Persönlichkeit lässt sich jedoch nicht drastisch ändern: wer extrem ordentlich ist, wird diesen Ordnungsdrang immer zu einem gewissen Grad in sich haben. Aber in einem gewissen Rahmen in die eine oder andere Richtung können wir unsere Persönlichkeit bewegen. Man kann durchaus extrovertierter oder kontaktfreudiger werden, nur aus einem Mauerblümchen wird nicht über Nacht ein Partylöwe.

Gilt die Typologie für Frauen genau wie für Männer? Welche Unterschiede gibt es?

Frauen sind im Schnitt rücksichtsvoller und kooperativer als Männer, und anfälliger für negative Emotionen wie Stress, Sorgen oder Ängste, sogenannter Neurotizismus. Natürlich gibt es hier auch viele Ausnahmen, und die individuellen Unterschiede von Person zu Person sind viel größer als die allgemeinen zwischen Mann und Frau.

Was ist für eine Partnerschaft besser: große Ähnlichkeit oder große Unterschiedlichkeit?

Dazu gibt es keine festen Regeln. Zum Thema Partnerschaft, gibt es viele Studien, und immer wieder hat sich gezeigt: Liebe ist unberechenbar was die Persönlichkeit angeht. Jeder hat hier andere Vorlieben.

Wie stelle ich fest, ob meine Menschenkenntnis gut ist?

Ob wir wirklich richtig liegen mit unserer Menschenkenntnis, können entweder die Menschen beurteilen, die wir einschätzen. Oder es zeigt sich im Laufe der Zeit, ob wir ihr Verhalten richtig eingeschätzt haben.

Wie kann ich einen Menschen durchschauen? Worauf muss ich achten? Gibt es Regeln oder Tipps?

Statt andere durchschauen zu wollen, sollten wir versuchen sie besser zu verstehen. Mit dem Verständnis, von welchen Persönlichkeitseigenschaften bestimmtes Verhalten herrührt, kommt dann meist auch die Erkenntnis, warum dies so ist. Zum Beispiel das Ängste und Unsicherheiten etwas ganz natürliches sind, nämlich ein Mechanismus, der sich vor Jahrtausenden entwickelt hat, da er unsere Vorfahren vor Gefahren geschützt hat.

Haben Sie sich bei einem Menschen schon einmal völlig geirrt?

Was die komplette Person an sich angeht, nein. Was bestimmte Eigenschaften angeht ja, das ist ganz normal. Das kommt dann meist daher das sich jemand stark verstellt oder wenn wir die Person in unser Wunschvorstellung gerne anders hätten als sie in Wirklichkeit ist. Und: die meisten Menschen verhalten sich in Beruf und Privatleben sehr ähnlich, aber wie immer gibt es auch hier Ausnahmen, z.B. wenn jemand zu Hause ein Chaot ist, aber im Beruf recht gewissenhaft. Das kommt aber nur selten vor.

Geführt wurde das Interview von Kerstin Baltin.

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