Hochsensibel oder nicht? Unterschiede zwischen Hochsensibilität und anderen Persönlichkeitsmerkmalen

Warum Hochsensibilität sich so schwer einschätzen lässt.

Hochsensibilität bedeutet, in Bezug auf äußere Einflüsse eine sehr dünne Haut zu haben, stärker auf Reize aller Art zu reagieren und bei zu vielen oder zu starken Eindrücken regelrecht von diesen überflutet zu werden.

Viele Unklarheiten

Bisher gibt es noch keine eindeutigen psychologischen Definitionen und Erklärungen für Hochsensibilität, da dieses Phänomen erst vor nicht allzu langer Zeit – 1997 – entdeckt wurde. Daher herrschen noch viele Unklarheiten rund um Hochsensibilität und deren bestehenden oder eben nicht bestehenden Zusammenhänge mit anderen Phänomenen der Persönlichkeit, wie z.B. der Eigenschaft introvertiert.

Hochsensibilität ist nicht so leicht mit klassischen Persönlichkeitstests einzuschätzen. Es herrscht viel Verwirrung darüber, welche Persönlichkeitseigenschaften und welche Verhaltensweisen denn nun zu Hochsensibilität gehören, und welche unabhängig davon sind. Unabhängig bedeutet in diesem Fall, eine Person kann beide Eigenschaften zusammen aufweisen, aber genauso kann sie diese auch nicht zusammen aufweisen. So hängt Intelligenz zum Beispiel nicht mit der Haarfarbe einer Person zusammen.

Achtung Verwechslungsgefahr!

In unserer menschlichen Persönlichkeit und unseren Verhaltensweisen gibt es eine Menge Phänomene und Eigenschaften, die der Hochsensibilität sehr ähnlich sind. Teilweise haben sie Zusammenhänge mit hochsensiblem Verhalten, oft aber auch nicht. Hier eine Übersicht in fünf Teilen, die dabei helfen soll zu zeigen, was denn nun mit Hochsensibilität in Verbindung steht – und was nicht.

  1. Introversion
    Introvertierte Menschen sind zurückhaltend und ruhig. Sie haben kein so hohes Bedürfnis nach Aktivität und Kontaktfreudigkeit wie ihre extrovertierten Gegenüber.
    Manche Verhaltensweisen werden der Introversion zugeordnet, sind aber in Wirklichkeit der Hochsensibilität anzurechnen. Introvertierte Menschen brauchen zwar auch mehr Ruhe, Erholung und Zeit für sich, besonders nach Ereignissen mit vielen Menschen und Trubel um sie herum, aber sie werden davon nicht krass überreizt. Starke Überreizung und Überforderung sind Phänomene der Hochsensibilität, nicht der Introversion. Dabei ist zu beachten, dass der Besuch eines lauten Rockkonzertes oder eines aufregenden Fußballspieles jeden Menschen überreizen kann – auch Extrovertierte. Hochsensible Menschen werden jedoch bereits von normalen Situationen und einem normalen Level an Geselligkeit überreizt. Introvertierte werden das nicht.
    Diese fälschliche Zuordnung kommt daher, dass man in den Anfängen der Forschung zu Introversion davon ausging, dass diese mit der physischen und psychischen Reizbarkeit durch äußere Einflüsse zusammenhängt, was sich später jedoch als falsch erwiesen hat. Introversion und Extraversion stellen den Level an (sozialer) Aktivität und Kontaktfreude dar, der dadurch motiviert wird, dass extrovertierte Menschen einen stärkeren Drang nach (sozialen) Belohnungen haben, als Introvertierte.
  2. Neurotizismus / emotionale Empfindlichkeit
    Neurotizismus bedeutet Empfindlichkeit gegenüber negativen Emotionen. Menschen mit dieser Eigenschaft empfinden häufiger Ängste und Sorgen, sind emotional unausgeglichen und werden schnell und stark von negativen Einflüssen belastet oder überlastet.
    Neurotizismus hat sehr deutliche Zusammenhänge mit Hochsensibilität. Der Großteil alles HSPs (HochSensible Personen) hat erhöhten Neurotizismus und viele Menschen mit Neurotizismus erkennen bei sich zumindest teilweise Symptome der Hochsensibilität wieder. Beide Phänomene sind eng miteinander verwandt, aber nicht das Gleiche: Neurotizismus beschreibt hauptsächlich die Reaktion auf negative Reize, während hochsensible Menschen auf alle Arten von Reizen stärker reagieren, also auch auf positive, und zudem eine intensivere Wahrnehmung besitzen – was bei Neurotizismus nicht der Fall ist.
  3. Vulnerabilität
    Vulnerabilität beschreibt – ähnlich wie Neurotizismus – die Reaktion auf negative Einflüsse.
    Bei Vulnerabilität geht es jedoch nicht nur um die direkte emotionale Empfindlichkeit, sondern allgemein darum, wie gut oder schlecht wir mit den daraus entstehenden Widrigkeiten des Lebens umgehen können. Vulnerable Menschen tun sich schwer damit, Lösungen für Probleme zu sehen, sich Hilfe bei anderen zu holen, wieder Mut zu fassen und ihre Ziele konsequent zu verfolgen. Das Gegenteil davon ist Resilienz: nach Rückschlägen immer wieder aufzustehen, unbeirrt weiter zu machen und sich nicht von negativen Ereignissen aus der Ruhe bringen zu lassen. Vulnerabilität hat keinen direkten Zusammenhang mit Hochsensibilität. Die leichten Überschneidungen was die Empfindlichkeit angeht, kommen daher, dass beide Phänomene deutlich mit der Eigenschaft des Neurotizismus verbunden sind.
  4. Empathie
    Empathie bezeichent das Einfühlungsvermögen in andere Menschen. Die Fähigkeit, deren Motivationen, Gedanken und Gefühle zu verstehen, mit ihnen mitzufühlen und als Folge daraus rücksichtsvoll zu sein.
    Entgegen manchmal anderslautender Behauptungen hängt Empathie nicht mit Hochsensibilität zusammen. Ja, hochsensible Menschen nehmen Gefühle und Stimmungen stärker war. Und natürlich gibt es auch viele HSPs, die gleichzeitig empathisch sind und dann durch die Kombination beider Phänomene besonders starkes Mitgefühl empfinden. Aber vornehmlich geht es bei Hochsensibilität um die Wahrnehmung der eigenen Gefühle. HSPs sind nicht automatisch rücksichts- und verständnisvoller ihren Mitmenschen gegenüber, als die meisten anderen Menschen. Viele sind es, aber viele auch nicht. Dies ist von Person zu Person unterschiedlich und kein Merkmal von Hochsensibilität, sondern ein davon unabhängiger Teil der Persönlichkeit.
  5. Offenheit für neue Erfahrungen
    Offenheit für neue Erfahrungen ist eine der fünf bedeutendsten Persönlichkeitseigenschaften, der sogenannten Big Five, wie auch Introversion und Neurotizismus. Sie bezeichnet die Offenheit für Neues und Ungewöhnliches, sowie für geistige und kreative Beschäftigungen. Das Gegenteil von Offenheit ist eine konservative und verschlossene Verhaltensweise.
    Offenheit beinhaltet ebenfalls, tief bewegt zu werden beim konsumieren von Kunst, Natur oder Musik. Ein reiches Innenleben zu haben und sich gerne mit komplexen und vielschichtigen Gedanken zu befassen. In diesem Bereich gibt es einige Übereinstimmungen mit der Hochsensibilität, besonders im Bereich der „ästhetischen Sensitivität“, der Reaktion auf künstlerische und schöne Eindrücke. Diese Zusammenhänge sind vorhanden, jedoch nicht besonders hoch, d.h. es handelt sich hierbei dennoch um zwei grundsätzlich voneinander getrennte Phänomene. Offenheit geht nicht mir einer erhöhten Wahrnehmung einher, sondern bezeichnet lediglich die Neugier und den Drang auf geistige Aktivitäten und eine Art Weltoffenheit gegenüber allen möglichen Dingen. Wenn eine hochsensible Person besonders starke Kreativität aufweist, ist dies daher mehr eine Folge einer hohen Offenheit, als eine Folge der Hochsensibilität.

Hochsensibilität ist ein sehr komplexes Phänomen, das noch nicht vollständig erforscht ist. Die Grenzen zwischen Hochsensibilität und anderen Phänomenen der Persönlichkeit sind teilweise deutlich, teilweise verschwommen, und teilweise kaum wahrnehmbar.
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Die allgemeine Persönlichkeit lässt sich mit dem Typentest Persönlichkeitstest einschätzen.

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Hinweis: die oben beschriebenen Erklärungen sind das Ergebnis der Auswertung diverser wissenschaftlicher Studien zum Thema Hochsensibilität und Persönlichkeit. Die genauen Quellangaben finden sich auf der Seite zu Hochsensibilität.

Bild von Adrien Sifre

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One Response to Hochsensibel oder nicht? Unterschiede zwischen Hochsensibilität und anderen Persönlichkeitsmerkmalen

  1. journey-parker sagt:

    Schon bevor Aron den Ausdruck Hochsensibilitat pragte, setzte man sich mit den Phanomenen unterschiedlicher Reizwahrnehmung und -verarbeitung auseinander. So wurde spekuliert, dass das Phanomen der sensiblen und hochsensiblen Menschen „biologisch verankert“ und die „Reizschwelle des Thalamus “ bei diesen Personen viel niedriger sei. Dadurch bestehe eine hohere Durchlassigkeit fur die aus afferenten Nervenfasern eingehenden Signale, so dass diese ungefiltert an die Hirnrinde weitergegeben werden.

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