Manche Dinge kommen nie aus der Mode, andere dagegen schon. Das allgemeine Interesse an Persönlichkeitstests hat in den letzten Jahren immer mehr nachgelassen. Dazu eine anschauliche Grafik:
Bei Google ist die Anzahl der Suchanfragen nach Persönlichkeitstest in den letzten 10 Jahren auf ca. ein Viertel gesunken. Diese Zahlen bestätigen meinen persönlichen Eindruck aus mehr als 10 Jahren Typentest Persönlichkeitstest (typentest.de ging 2002 online).
Warum das Interesse an Persönlichkeitstests nachlässt
Warum ist das so? Ein Grund mag sein, dass das allgemeine Angebot an Persönlichkeitstests durch unzählige Webseiten und Facebook-Apps so groß ist wie noch nie und einem Tests aller Art so häufig aufgedrückt werden, dass nur noch wenige Menschen aktiv danach suchen. Die meisten dieser Spaßtests sind allerdings nicht ernst zu nehmen, weshalb sie das Interesse an ernsthaften Tests eigentlich nicht schmälern sollten. Dennoch lässt sich nicht abstreiten, dass richtige Persönlichkeitstests in den letzten Jahren für die meisten eher uninteressant geworden sind. Auch Literatur zu Persönlichkeitstests erscheint nur sehr unregelmäßig und zum aktuellen Standard der Persönlichkeitsforschung, den Big Five, gab es seit ihrer Einführung gerade einmal vier deutschsprachige Bücher (inkl. meinem).
Was dagegen nach wie vor sehr populär ist, sind Bücher zu ganz bestimmten psychologischen Themen die mit der Persönlichkeit zusammenhängen, wie z.B.:
- der Persönlichkeitseigenschaft introvertiert
- Resilienz, der Widerstandskraft gegen negative Einflüsse
- zu Hochsensibilität
- zur krankhaften Aufschieberei, der Prokrastination
- zum Klassiker Kreativität
- und vielen anderen mehr.
Diese Themengebiete erfreuen sich teils lang andauernder und teils recht frisch aufgeflammter Popularität in Büchern, Medien und dem Internet. Das Interesse an diversen Themen rund um die menschliche Persönlichkeit ist also nach wie vor sehr hoch. Jedoch weniger an Tests, die diese Persönlichkeitsmerkmale ganz allgemein ausloten.
Zu viel Banalität, zu wenig Magie
Woran das liegt, darüber lässt sich nur spekulieren. Ein Grund mag sein, dass unserer Persönlichkeit durch jahrzehntelange Forschung weitgehend das Mystische genommen wurde und man heute recht genau weiß, woher bestimmte Verhaltensweisen kommen und mit was sie im Zusammenhang stehen. Das ist sehr hilfreich für die Forschung, für Statistiker und Unternehmen, aber oft recht banal für alle anderen. Die Information, dass eine ordnungsliebende Person meist auch verlässlicher und zielstrebiger ist, hat eine hohe Bedeutung für Personalabteilungen, aber kaum Unterhaltungswert für denjenigen, der den Test selbst macht und die Auswertung dazu liest. Farbenfroh beschriebene Persönlichkeitstypen alter Tests wie dem Mbti sind eher nüchternen, realistischen Beschreibungen gewichen, die zwar konkrete Erklärungen für unser Verhalten liefern, aber meist nur wenig begeistern können. Denn ihnen fehlt die magische Faszination früherer, oft horoskopartiger Profile, die sich auch heute noch bei den diversen Facebook-Tests finden, die einem recht unterhaltsam zeigen, welcher Harry Potter Charakter einem am ähnlichsten ist. Echten Wert bergen diese Informationen jedoch keinen.
Ein weiterer Grund ist sicher, dass es zu den oben erwähnten Spezialthemen wie Kreativität und Introversion mittlerweile in Büchern und dem Internet sehr viele Informationen zu finden gibt. Das war vor zehn Jahren noch nicht der Fall. Warum sich also mit einem standardmäßigen Persönlichkeitsprofil befassen, wenn man stattdessen bei den für die eigene Person relevanten Themen viel tiefer in die Materie abtauchen kann. Was interessiert mich beispielsweise meine Tendenz zum Perfektionismus, wenn ich statt dessen wissen will, warum ich in Gegenwart anderer Menschen immer so schüchtern bin?
Natürlich gibt es immer noch viele Menschen, die sich für ihre Persönlichkeit im Allgemeinen und das Thema der Persönlichkeitsanalyse im Speziellen interessieren. Aber das generelle Interesse daran hat im Lauf der Zeit deutlich abgenommen. Das ist an sich nichts Schlechtes, schließlich ist der Wissensdurst nach Spezialthemen im Bereich der Persönlichkeit nach wie vor ungebrochen und nimmt vielfach noch weiter zu. Vielleicht handelt es sich auch wie bei so vielem um einen Trend, und die Begeisterung für ernsthafte Tests flammt in Zukunft wieder auf.
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