8 Missverständnisse über Introvertierte

Das Thema Introversion hat in den letzten Jahren durch Bücher, Medienberichte und nicht zuletzt auch das Internet zunehmend an Popularität gewonnen. Mit der Bekanntheit sind jedoch auch viele alte und neue Missverständnisse und Mythen wieder belebt und verbreitet worden, was introvertierte Menschen ausmacht – und was nicht.

Ich bin nicht verrückt – oder depressiv – oder antisozial.
Ich brauche nur eine Weile für mich alleine. Und das ist vollkommen Ok.
~ Quelle unbekannt

Die 8 größten Irrtümer über Introvertierte

  • Introversion ist etwas Negatives.
    Wohl der älteste und häufigste Irrtum betreffs Introversion. Introvertiert zu sein bedeutet in seiner Definition in Wirklichkeit einfach nur, zurückhaltender und sozial weniger sozial aktiv zu sein und ist an sich keineswegs negativ.
  • Introvertierte Menschen sind schüchtern.
    Manche Introvertierte sind durchaus schüchtern, aber die Meisten sind es nicht. Dennoch beinhaltet dieser Irrtum auch ein Stückchen Wahrheit: Schüchternheit beschreibt eine soziale Hemmung, ganz besonders die Angst vor dem Kontakt mit fremden Menschen. Schüchterne Menschen sind daher meistens auch introvertiert. Umgekehrt ist aber die Mehrheit der Introvertierten eher nicht schüchtern und auch extrovertierte Menschen können schüchtern sein und Probleme mit der Kontaktaufnahme haben – was jedoch seltener vorkommt.
  • Introvertierte sind einsam
    Zwar brauchen introvertierte Menschen nicht so viele soziale Kontakte, manchmal haben sie sogar nur sehr wenig Interaktionen mit anderen Menschen. Das heißt jedoch nicht, dass sie alle einsam sind. Denn Einsamkeit bedeutet nicht, dass jemand alleine ist, sondern dass sich jemand alleine fühlt. Auch unter vielen Menschen oder mit einer Menge – aber bedeutungslosen – sozialen Kontakten kann man sich einsam fühlen. Introvertierte und Extrovertierte können daher gleichermaßen einsam sein, Einsamkeit ist nichts was speziell auf introvertierte Menschen zutrifft.
  • Introvertierte sind empfindlicher
    Nur weil Introvertierte ruhiger sind, heißt das nicht, dass sie ständig über Negatives grübeln oder weniger gut mit dem Leben und den darin auftretenden Problemen klarkommen. Diese Sensibilität und emotionale Empfindlichkeit ist kein Teil von Introversion, sondern wird stattdessen in der Persönlichkeitseigenschaft des Neurotizismus gemessen.

 

  • Introvertierte Menschen sind genauer und gewissenhafter
    Ein Irrtum, der besonders durch die Bücher von Sylvia Löhken entstanden ist. Viel von dem, was sie mit introvertierten Menschen verbindet, entstammt in Wirklichkeit der Persönlichkeitseigenschaft Gewissenhaftigkeit. Die ist Teil der Big Five der Persönlichkeit, beschreibt Menschen die besonders diszipliniert, kontrolliert und zuverlässig sind und ist komplett unabhängig von Introversion. Sylvia Löhken beschreibt demnach keine Introvertierten, sondern Introvertierte mit hoher Gewissenhaftigkeit. Dies trifft gemäß Wahrscheinlichkeitsrechnung und Normverteilung jedoch auf ca. 50% aller Introvertierten gar nicht zu. Leider haben manche andere deutsche Autoren diese Definition von ihr übernommen, weswegen dieser Mythos mittlerweile häufig anzutreffen ist. Seltsam ist er deswegen, weil die Definition von Introversion und die Unterschiede zu anderen Persönlichkeitseigenschaften bereits seit Jahrzehnten recht klar gefasst sind, und auch Löhkens amerikanisches Vorbild, die Autorin Susan Cain, diese fehlerhafte Zuordnung in ihrem Buch nicht machte.
  • Introvertierte sind kreativer
    Kreativität und Introversion haben keinen Zusammenhang. Viele kreative Menschen begeben sich zwar in Einsamkeit und Abgeschiedenheit, um kreative Werke zu schaffen, besonders Schriftsteller, Maler und Musiker. Nur weil sie sich in diesen Momenten des Schaffens introvertiert verhalten, bedeutet das jedoch nicht, dass sie in ihrem restlichen Leben auch introvertiert sind. Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass es mehr introvertierte (oder extrovertierte) Kreative gibt.
  • Introvertierte sind empathischer
    Empathie bedeutet Einfühlungsvermögen. Zwar können Introvertierte tatsächlich besser Zuhören, weil sie ihre Mitmenschen seltener unterbrechen. Aber sie haben kein höher entwickeltes Einfühlungsvermögen als andere Menschen. Empathie hängt hauptsächlich mit einer anderen Eigenschaft der Persönlichkeit zusammen, der Verträglichkeit (siehe Big Five).
  • Hochsensible Menschen sind introvertiert
    Das Phänomen von Hochsensibilität – übermäßiger Reizempfindlichkeit – zeigt tatsächliche – aber nur leichte – Zusammenhänge mit Introversion. Es gibt zwar etwas mehr introvertierte Hochsensible, allerdings gibt es auch nicht allzu viel weniger extrovertierte Hochsensible, was bedeutet, dass keine direkte Übereinstimmung zwischen Introversion und Hochsensibilität existiert.

Natürlich gibt es auch viele richtige Annahmen zu introvertierten Menschen. Was Introversion wirklich ausmacht findet sich auf den Themenseiten zu Introvertiert und Extrovertiert.

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