Elektrische Impulse verbessern die Selbstkontrolle im Gehirn?

Eine etwas kuriose Studie wurde vor kurzem im Journal für Neurowissenschaften veröffentlicht: Durch gezielte elektrische Stimulationen des präfrontalen Kortex (der liegt ungefähr über den Augen) ließ sich die Selbstkontrolle der Studienteilnehmer merkbar verbessern.

Selbstkontrolle auf Knopfdruck

In dieser Art von Experiment müssen die Teilnehmer typischerweise konstant einen Knopf drücken. Zum Beispiel jedes Mal, wenn ein Buchstabe oder ein Bild auf einem Monitor erscheint. Bei bestimmten Buchstaben (z.B. einem X) oder Bildern (z.B. denen von Katzen) soll der Teilnehmer dies jedoch nicht machen. Er muss dann stattdessen den Impuls unterdrücken, den Knopf zu betätigen, und sozusagen das gedankliche Stoppschild ausfahren. Wie gut jemand bei diesen Tests abschneidet, sagt etwas darüber aus, wie gut dessen Selbstkontrolle ist. In dieser konkreten Studie wurden nun die Teilnehmer immer wieder durch ein akustisches Signal aufgefordert, den Knopf nicht zu drücken.

Dabei zeigte sich, dass elektrische Stimulationen eines bestimmten Hirnareals über den Augen direkt zu besseren Ergebnissen beim Test führten, also die Selbstkontrolle der Probanden verbesserte. Dabei waren die elektrischen Impulse so schwach, dass sie nicht bewusst wahrgenommen werden konnten, von Elektroschocks oder ähnlichem kann also keine Rede sein.

Nun wird sich trotzdem niemand bei der Arbeit verkabeln lassen wollen, um eine bessere Selbstkontrolle zu haben. Auch ist unklar, wie stark die Wirkung unter realen Bedingungen wäre, z.B. beim Sport, wo schnelle Reaktionen gefragt sind. Aber die Studie bringt weiter Licht ins Dunkel, wo im Gehirn unsere Selbstkontrolle sitzt und wie sie funktioniert. Dies könnte sich für Menschen, die damit Probleme haben, als sehr wichtig erweisen, z.B. wenn sie unter einer Zwangsstörung leiden oder unter einer anderen Persönlichkeitsstörung, die mit der Kontrolle der eigenen Impulse zu tun hat, z.B. histrionische und Borderline-Störungen. Auch Menschen, die starke Probleme mit Prokrastination haben, dem ewigen Aufschieben wichtiger Angelegenheiten, könnte eine gesteigerte Selbstkontrolle helfen.

In unserer Persönlichkeit ist die Selbstkontrolle ein zentraler Bestandteil der Eigenschaft Gewissenhaftigkeit der Big Five, die im Typentest Persönlichkeitstest durch die gegenüberliegenden Eigenschaften spontan und geplant dargestellt wird. Menschen mit einer Neigung zur Eigenschaft spontan haben demnach eine geringere Selbstkontrolle, während geplante Menschen eine höhere haben, und eher innehalten, bevor sie etwas Unüberlegtes machen.

Ob und wie sich solche motorischen Tests des Knopf-drückens, die sich auf das unmittelbare Verhalten beziehen, auch auf psychologische Aspekte der Selbstkontrolle und Impulsunterdrückung anwenden lassen, ist aber noch unklar.  Vielleicht gibt es in Zukunft einmal die Pille gegen den Schlendrian, Prokrastination und Aufschieberei, oder eine die unsere Selbstkontrolle erhöht, wenn wir mit dem Rauchen aufhören wollen. In absehbarer Zeit jedoch wahrscheinlich nicht. Um unsere zutiefst menschlichen Probleme der Selbstkontrolle müssen wir uns auch in Zukunft erst einmal selbst kümmern, indem wir aktiv an unserm Verhalten arbeiten, und selbst „Stopp!“ sagen.

Ähnliche Themen:
Gehirnhälften-Dominanz, Navi fürs Gehirn (Big Five & Gehirnregionen), Spiegelneuronen

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Link zur genannten Studie
„Chronometric Electrical Stimulation of Right Inferior Frontal Cortex Increases Motor Braking“
Link
zu einer Studie und Erklärung (englisch) des „Stop-Mechanismus“, der für die Unterdrückung von Impulsen und Selbstkontrolle verantwortlich ist.

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One Response to Elektrische Impulse verbessern die Selbstkontrolle im Gehirn?

  1. Daniel Schmidt sagt:

    Das wussten schon unsere Vorfahren.
    Bei den Schnadegängen (abgehen der Gemeindegrenzen) wurden oft Kinder mit Kopf oder Hintern an die Grenzsteine gestoßen. Aufgrund der Schmerzen vergaßen sie dies ein Leben lang nicht, und damit auch nicht die Grenzen der Gemeinde.

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