Empathie und Spiegelneuronen im Spiegel

Vor einer Weile gab es im Spiegel die Titelstory „Die Magie des Mitgefühls“, in der es um die Persönlichkeitseigenschaft der Empathie geht (aufgrund des großen Updates beim Typentest Persönlichkeitstest konnte ich mich erst jetzt mit dem Artikel befassen. Das Thema Empathie ist jedoch zeitlos, daher hier eine Zusammenfassung und einige Ergänzungen zum überraschend spannenden und umfassenden Spiegel-Artikel).

Spiegelneuronen lassen uns empathisch werden

Gähnt jemand in unserer Umgebung herzlich, und wir sind auch gerade ein bisschen müde, können wir nicht anders, als mit zu gähnen. Sind alle Menschen um uns herum gut gelaunt und fröhlich, so steckt uns das an, sind alle traurig oder panisch, geht dies zumindest teilweise auch auf uns über. Sehen wir, wie jemand sich mit dem Hammer auf den Finger schlägt, zucken wir ebenfalls zusammen. Wir spiegeln das Verhalten der Menschen um uns herum. Laut einer noch recht jungen Forschungsrichtung der Neurologie hängt dies mit den so genannten Spiegelneuronen im Gehirn zusammen. Die Spiegelneuronen sorgen demnach dafür, dass wir die Gefühle und Gemütszustände anderer Menschen erkennen und sie mitfühlen – so, als würden wir sie selbst verspüren. Daher zucken wir zusammen, wenn sich jemand wehtut, und lassen uns von der überschäumenden Freude des Fußballers anstecken, der gerade ein Tor geschossen hat. Evolutionstechnisch betrachtet ist dieser Mechanismus der Empathie essentiell wichtig, um den Zusammenhalt und das Zusammenarbeiten in einer Gruppe oder Gemeinschaft zu gewährleisten. Denn wenn wir die Gefühle anderer nicht verstehen können und uns ihre Gemütszustände egal wären, hätten wir keinen Grund, entsprechend darauf zu reagieren, und es gäbe kein Gemeinschaftsgefühl, Hilfsbereitschaft oder gar Altruismus innerhalb einer Gruppe. Empathie ist daher eine der elementaren Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens. Sozusagen der Kleber, der unsere Beziehungen zusammenhält und uns auf die Bedürfnisse und Empfindungen anderer Menschen aufmerksam macht (etwas, das Menschen mit einer psychopathischen Persönlichkeitsstörung fehlt, denn ihnen sind die Emotionen anderer egal). Nach Meinung vieler Psychologen lässt sich diese Empathie durch gezieltes Training steigern, was im Berufs- und Privatleben, so wie ganz besonders bei der Konfliktvermeidung hilfreich ist. Uneinigkeit besteht darüber, ob und wie diese Spiegelneuronen, bzw. eine Fehlfunktion dieser, auch mit Autismus zusammenhängen. In diesem Bereich gibt es bisher viele widersprüchliche Studienergebnisse (siehe hier).

Von Robotern und Psychopathen

Ein großer Teil des Artikels im Spiegel besteht aus einem Interview mit dem deutsch-französischen Hirnforscher Christian Keysers, dass einige interessante Details zu Tage bringt: Keysers Erkenntnissen nach, haben Psychopathen keine Fehlfunktion der Empathie – denn sie können durchaus mit anderen mitfühlen und sich empathisch zeigen, wenn sie das wollen -, sondern sie können ihre Empathie sozusagen auf Knopfdruck an- und wieder ausschalten, während bei normalen Menschen die Empathie immer konstant aktiv ist. Daher können psychopathische Menschen sich im einen Moment einschmeichelnd und sehr sympathisch verhalten, im nächsten aber grausam und gefühllos sein (hier wird im Interview auch das Paradebeispiel von Hannibal Lecter aus Schweigen der Lämmer genannt).

Ebenfalls kurios, aber dennoch jedem bekannt: auch unbelebten Gegenständen bringen wir Empathie entgegen. Ein Kratzer am Auto schmerzt manche Menschen fast genauso wie eine Verletzung am eigenen Körper, Kinder fühlen ganz selbstverständlich mit ihren Kuscheltieren und Spielzeugen mit, und ab und zu geben wir Gegenständen auch Namen, nennen z.B. den Kühlschrank Hugo. Empathie lässt sich also auf so gut wie alles übertragen. Dies erklärt auch, warum wir sogar mit animierten, aber menschlich wirkenden Filmfiguren aus Disney oder Pixar-Filmen Mitgefühl empfinden können, obwohl sprechende Autos oder Tiere auf mehrfache Weise unreal sind. Für mich als Science-Fiction Fan (siehe die Einschätzung der Persönlichkeiten von Captain Kirk und Mr. Spock) war besonders ein Einwurf von Keysers sehr interessant: wir können nach wie vor keinen Roboter bauen, der realistisch mit Menschen interagiert, weil ein Computer menschliches Verhalten und Emotionen nicht erkennen und spiegeln, und demnach auch nicht mitfühlen kann. Zwar kennen wir emotionale Roboter aus Animationsfilmen wie Wall-E, aus Star Trek oder Star Wars. In der Wirklichkeit sind Maschinen jedoch (noch) nicht zu Mitgefühl, Verständnis und Empathie im Stande, trotz weit fortgeschrittener Rechenpower.

Ob die Forschung im Bereich der Spiegelneuronen in Zukunft zu neuen Erkenntnissen über die Grundlagen unseres menschlichen Verhaltens führen wird, oder ob es sich dabei vielleicht nur um einen in seiner Bedeutung überschätzten Hype handelt, werden die nächsten Jahre und Jahrzehnte zeigen. Ich bin jedenfalls sehr gespannt, wie sich diese Forschungsrichtung weiter entwickelt.

Im Typentest hängt Empathie hauptsächlich mit dem entgegengesetzten Eigenschaftspaar Hart – Kooperativ zusammen (Verträglichkeit in den Big Five): kooperative Menschen sind rücksichtsvoll, hart interagierende Menschen achten dagegen eher weniger auf die Gefühle anderer. Mehr dazu und einen kleinen Empathie-Test gibt es auf meiner Spezialseite zum Thema Empathie.

 

Ähnliche Themen: Altruismus, Neurotizismus, Prokrastination

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2 Responses to Empathie und Spiegelneuronen im Spiegel

  1. Hallo!!!!

    Ich befasse mich seit jahren mit dem Thema im Bezug auf meinen Sohn.
    Dieser war von Babyalter an schwierig. Er konnte sich nicht unterordnen, hatte keinerlei Geduld, es musste immer etwas passieren, später fing er an zu lügen in der Schule spielte er Lehrer gegen Eltern aus, fing an zu stehlen und wurde schließlich Drogensüchtig.
    Im Alter von 9 Jahren hatte ich ihn zum ersten mal Psychologisch untersuchen lassen, und in der Folge noch zwei mal. Jedoch konnte er sich plendent auf sein Gegenüber und die Fragen einstellen, worauf es am ende immer nur darauf hinaus lief, dass er halt ein Scheidungskind sei und ich als Mutter mich mehr um meinen Sohn kümmern sollte.
    Nach all den Jahren der Hoffnung und immer wieder Verzweiflung würde ich gern wissen ob ich mit meinem Verdacht auf Psychopathie bzw schwere Züge richtig liege.
    Gibt es test die aussagen ob ein kind soziopathisch veranlagt ist?

    LK. Karin Schischa

  2. Lars Lars sagt:

    Hallo Karin,

    Persönlichkeitsstörungen sind sehr komplxe Angelegenheitem, daher gibt es dazu keine simplen Tests, sondern höchstens Listen mit entsprechenden Anzeichen: http://de.wikipedia.org/wiki/Soziopathie
    Ich kenne mich mit dem speziellen Thema Soziopathie nicht aus, kann dir daher auch nur raten, in einem psychologischen Forum Hilfe zu suchen (z.B. http://www.med1.de/Forum/Psychologie/) oder alleine zum Psychologen zu gehen und dich zu dem Thema beraten zu lassen (eventuell vorher informieren oder nachfragen, ob es Experten zu dem Thema gibt?).

    Schöne Grüße
    Lars

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