Wer öfters hier im Blog liest, hat sicher schon von den Big Five gehört, den 5 großen Persönlichkeitseigenschaften:
Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Emotionale Stabilität.
Nun gibt es ein neues wissenschaftliches Modell mit Namen HEXACO, dass eine 6.te Eigenschaft gefunden hat: Ehrlichkeit-Bescheidenheit (Honesty-Humility im englischen).
Diese sehr klare Persönlichkeitseigenschaft erklärt sich fast von selbst:
Menschen mit einer hohen Ausprägung in Ehrlichkeit-Bescheidenheit sind aufrichtig, manipulieren andere nicht, verspüren keinen Drang Regeln zu brechen, haben kein Interesse an verschwenderischem Luxus und erheben keinen Anspruch auf einen erhöhten sozialen Status.
Menschen mit einer niedrigen Ausprägung in Ehrlichkeit-Bescheidenheit schmeicheln anderen um ihre Ziele zu erreichen, neigen dazu für persönlichen Profit Regeln zu brechen, werden von materiellen Gewinnen motiviert und halten sich selbst für besonders wichtig.
Ehrlichkeit-Bescheidenheit ist unabhängig von den anderen fünf Persönlichkeitsfaktoren, d.h. wenn jemand z.B. hohe Extraversion oder niedrige Verträglichkeit hat, sagt das nichts über seine Ausprägung bei Ehrlichkeit-Bescheidenheit.
Was natürlich gleich auffällt, ist, dass dieser Faktor ganz klar eine positive und eine negative Seite hat. Zwar hat sicher jeder von uns schon mal die eine oder andere Regel gebrochen, wurde von der Aussicht auf Gewinn motiviert oder hat sich einen kleinen Luxus gegönnt. Allerdings eben nur in einem gewissen Rahmen. Niedriger Ehrlichkeit-Bescheidenheit ist nicht wirklich etwas Positives abzugewinnen. Niemand dürfte es bei anderen Menschen für erstrebenswert halten, nur auf den eigenen Vorteil zu achten und sich stets besser darzustellen als man ist. Bei sich selbst ist das dann wieder etwas anderes, denn wenn es keine unehrlichen, wenig bescheidenen Menschen gäbe, dann gäbe es auch diesen Persönlichkeitsfaktor nicht.
Politische Beispiele
Als Beispiel für eine niedrige Ausprägung in Ehrlichkeit-Bescheidenheit fällt in Deutschland schnell Ex-Verteidigungsminister & Ex-Dr. zu Guttenberg ein. Auch Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi gab nicht allzu viel auf diese Tugend. Ehrlichkeit-Bescheidenheit scheint in der Politik traditionell kein besonders hohes Gut zu sein. Vielleicht stechen die Negativbeispiele aber auch nur besonders heraus. Als positivere Gegenbeispiele fallen da spontan Barrack Obama (hier typisiert) oder Angela Merkel ein, auch wenn da der eine oder andere sicher auch gleich aufschreit.
Fazit
Der Persönlichkeitsfaktor Ehrlichkeit-Bescheidenheit eröffnet interessante neue Perspektiven auf die Persönlichkeit. Allerdings mehr zu Forschungszwecken als bei einem Persönlichkeitstest zur Selbsteinschätzung, zur Unterhaltung oder beim Arbeitgeber. Denn wer wird seinem Arbeitgeber oder Bekannten schon mitteilen, dass er dazu neigt Regeln zu brechen und hauptsächlich auf persönlichen Profit aus ist? Deshalb wird diese Eigenschaft auch beim Typentest Persönlichkeitstest nicht berücksichtigt.
Als Ergänzung der oben erwähnten Big Five Persönlichkeitsfaktoren macht Ehrlichkeit-Bescheidenheit aber durchaus Sinn, denn durch diesen weiteren Faktor ergibt sich ein runderes, vollständigeres Bild der Persönlichkeit, um die es z.B. auch hier im Blog geht.
Nächste Woche geht es dann darum, wie sich die restlichen Eigenschaften des Hexaco-Modells von den Big Five unterscheiden, wobei es einige interessante Unterschiede gibt…
-> BIG SIX statt BIG FIVE? Das Hexaco-Modell der Persönlichkeit
Ähnliche Themen: Persönlichkeitsstörungen, Prokrastination, Empathie, Neurotizismus
Wie immer macht die Dosis das Gift. Wenn jemand weniger ehrlich und bescheiden ist, muss das nicht zwangsläufig negativ sein. Im Grunde schlummert in jedem von uns ein „kleines Monster“, dass von unserer Ethik und Moral oftmals „sediert“ in die Zwangspause geschickt wird.
Und mal danz ehrlich, wer von (uns) „ehrlichen“ und „bescheidenen“ hat es nicht gewurmt, wieder einmal sein eigenes Ego zu Gunsten anderer zurückgepfiffen zu haben. Es gibt Macher, die müssen manchmal „ohne Rücksicht auf Verluste“ ihr Ziel verfolgen, um überhaupt da anzukommen. Z. B. Autorennen, wenn da alle Rücksicht auf den anderen nehmen würden und vor lauter Bescheidenheit anderen den Vorrang lassen würden, blieben alle am Startpunkt stehen.
Dennoch ist dieser Artikel ein sehr interessanter Aspekt, spricht er doch die Wirklichkeit im Leben an: „Nein, das macht man doch nicht, also zumindest ich nicht.“ Je lauter die Empörung, um stärker der Drang nach Unabhängigkeit und Eigenständigkeit mit der nötigen Prise Unehrlichkeit und Gier.
Ich finde es erstaunlich, dass Ehrlichkeit und Bescheidenheit ein gemeinsames Merkmal bilden, dafür aber angeblich unabhängig sind von sozialer Verträglichkeit. Denn eine niedrige Merkmalsausprägung bedeutet ja eine hohe Rücksichtslosigkeit. Interessanter ist für mich auch, was die Menschen antreibt. Ist es Macht, Anerkennung, geliebt werden wollen oder materielle Reichtümer? Man kann materiell sehr bescheiden sein und dabei äußerst manipulativ. Oder auch skrupellos gewalttätig und kriminell, ohne dabei etwas anderes vorzuspielen.
Wobei, wenn Unbescheidehheit und Unehrlichkeit zusammenkommen, steckt meist eine narzistische Störung dahinter. Fiktives beispiel ist der Zauberer Lockhart aus harry Potter.
Hallo Susanne,
Guter Einwand. Und du hast auch Recht: bei den Big Five sind Ehrlichkeit & Bescheidenheit teilweise in Verträglichkeit mit dabei, aber bei Hexaco wurden diese Eigenschaften zu einem eigenen unabhängigen Faktor geformt. Dazu nächste Woche mehr im Blog.
Wenn wir schon bei Harry Potter sind, hat Hermine z.B. eine geringe Verträglichkeit: sie ist sehr kritisch, stur und will immer ihren Kopf durchsetzen. Allerdings hat sie hohe Ehrlichkeit-Bescheidenheit. Gleiches könnte man auch von McGonnagal und Mad Eye Moody sagen: hart aber fair.
Ein schönes Beispiel für extrem geringe Ehrlichkeit-Bescheidenheit ist übrigens auch Captain Jack Sparrow aus Fluch der Karibik.
Hallo Lars,
den Begriff „Bescheidenheit“ kann man – meiner Ansicht nach – unterteilen in Bescheidenheit im materiellen Sinne als Gegenteil von Gewinn- u. Besitzstreben, oder auch im sozialen Sinne als Gegenteil von Rechthaberei oder Hochmut/Arroganz.
Dass Ehrlichkeit u. Bescheidenheit wirklich untrennbar miteinander verbunden sein sollen, das kann ich jedenfalls nicht nachvollziehen.
Jack Sparrow betrachtet das Leben wie ein Poker-Spiel. Je nach den äußeren Umständen gewinnt oder verliert man. Allerdings können die Umstände durch eigenes Eingreifen in die jeweilige Situationen verändert werden.
Er nutzt sein Talent zur Improvisation um Situationen zu seinen Gunsten zu verändern u. nimmt es in Kauf dass andere Leute dadurch benachteiligt werden.
In diesem Sinne ist er ein gewiefter Gauner.
Gruß
Winfried
Hallo Susanne,
ja, die Motivation was Menschen in ihrem Leben antreibt bzw. vorantreibt kann sehr unterschiedlich sein.
Man kann im materiellen Sinne sehr bescheiden sein u. wenig Wert auf Besitztümer legen. (Was ich nachvollziehen kann. Besitz des reinen Besitzes wegen motiviert mich z.B. gar nicht. Ich brauche es auch nicht dass meine Mitmenschen neidisch auf „Statussymbole“ blicken mit denen ich mich schmücke. Auf diese Art von „Bestätigung“ kann ich verzichten.)
Ich kann den Reiz verstehen die Welt nach seinen eigenen Vorstellungen formen zu wollen, aber das sehe ich mittlerweile als ein ziemlich selbstsüchtiges Motiv an.
Nach dem Motto „Ich mach mir die Welt wie sie mir gefällt“. Solange man nicht anfängt andere Menschen nach seinen Vorstellungen zu verändern mag das ja noch akzeptabel sein
oder z.B. große Schäden an der Umwelt hinterläßt.
Ich halte es für möglich dass man Verlogen sein kann & wenig bescheiden u. dennoch sich dennoch sozial verträglich verhalten kann. Aber das dürfte eine ganz hohe Kunst sein zu welcher nur wenige Leute überhaupt in der Lage sind..
So soll es z.B. bei Feldstudien im Handel ob Ladendiebstahl vom Personal erkannt wird sogar schon zu Situationen gekommen sein bei der das Laden-Personal die Diebe unwissentlich aktiv unterstützt hat u. diesen sogar beim Verladen der (nicht bezahlten) Ware in die Fahrzeuge geholfen haben.
Unehrlich u. sozial verträglich zugleich ist demnach durchaus möglich.
Gruß
Winfried
Hallo Marco.
Wie lautet ein bekannter Spruch? „Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“.
Ich würde sagen dass in einer Leistungsgesellschaft Bescheidenheit eher negativ gesehen wird.
Bescheidenheit kann z.B. als mangelnde Motivation ausgelegt werden, als fehlende Bereitschaft sich selber einzubringen.
Mal ehrlich: Unsere Gesellschaft ist doch darauf angewiesen dass wir wenig bescheiden sind und uns immer wieder neue Dinge kaufen, sonst würde das produzierende Gewerbe keinen Umsatz machen.
Zum Punkt Autorennen. Ganz ohne Rücksicht kann ein sportlicher Wettkampf auch nicht stattfinden, denn dann wären solche Dinge wie z.B. Reifen von anderen Autos beschädigen erlaubt.
Es soll ein Wettbewerb des Könnens sein, unter für alle gleichen Bedingungen.
Würden die Fahrer sich hier bescheiden verhalten würden sie gleichzeitig ihre Fähigkeiten nicht voll zur Entfaltung bringen.
Solange das in einem entsprechenden fairen Rahmen abläuft finde ich da nichts verwerfliches daran.
Allerdings ist nicht das ganze Leben ein Autorennen. Von daher kann ein Rennfahrer auf der Rennstrecke durchaus unbescheiden sein aber in seinem restlichen Leben wäre es nicht tragisch falls er sich bescheiden verhalten würde.
Gruß
Winfried
Schönes Beispiel Winfried, dass im Sport ein Ausgleich aus sowohl Unbescheidenheit im Sinne von besser als andere sein zu wollen, als auch Bescheidenheit und Ehrlichkeit im Sinne von Fairness (und je nach Sportart auch Teamplay) gefragt ist.
Ja gut, ich ging jetzt beim Beispiel Autorennen auch nicht von Rücksichtslosigkeit aus. Vielmehr ist doch die Triebkraft, gewinnen zu wollen so stark, dass Bescheidenheit so ganz und gar nicht passt.
Und wie ich bereits oben beschrieben habe: Die Dosis…
Ein wenig hiervon ein bisschen davon und es kann auch trotzdem fair im Wettkampf, und das ist zum großen Teil auch das Leben (und zwar nicht nur im materiellen Sinne).
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Noch ein Beispiel für extrem geringe Verträglichkeit aber hohe Ehrlichkeit-Bescheidenheit:
Stannis aus Game of Thrones.
Ein sehr harter, gnadenloser und unnachgiebiger Charakter, der viel Wert auf Gerechtigkeit, Regeln und Gesetze legt, aber ein Herz aus Stein hat.
Siehe Game of Thrones Charaktere
Die Psychologie hat viele Modelle entwickelt – sei es die Big 5 oder die Transaktionsanalyse – um den Charakter von Menschen einzuschätzen. Vieles davon erscheint als durchaus brauchbar. Allerdings meistens nur für die „einfach gestrickten“ Typen.
In unserem Gehirn laufen soviele Prozesse, die leider (oder zum Glück) NICHT so schön geordnet sind, wie die Dateien in einem Computer. So lassen sich z.B. die Dimension „Lernen“, „Gedanken“ und „Gefühle“ in der „Realität“ überhaupt nicht voneinander trennen – sie liegen in einer organischen – von mir aus „verklebten oder verbackenen“ Form vor.
Bei einer Durchführung des Big-5-Fragebogens kamen mir immer wieder Gedanken in den Sinn, wie z.B. „gelassen – in Bezug auf wen“ oder „offen – in welcher Situation“. Ich glaube, neben den „einfach gestrickten“ Typen – die sich also meistens wie Automaten verhalten, gibt es viele, viele Menschen, die ein viel breiteres Repertoir an Verhaltensweisen in sich tragen, so dass man ihnen mit einer „Typeneinteilung“ schon allein deswegen nicht gerecht werden kann, weil eben eine Charaktereigenschaft – in der und der Situation – noch lange keinen Aufschluss geben kann für einen anderen Persönlichkeitszug in der und der Situation.
Wir tappen weiterhin im Dunkeln… Natürlich neige ich – wie die meisten anderen Menschen – auch dazu zu sagen: „der ist so und so“. Allerdings halte ich es für einen Irrweg, diese überaus subjektiven Einschätzungen mathematisieren zu wollen. Auch die Mathematik ist ein rein subjektives Konstrukt!
P.S.: Und die Vergleiche mit Film- oder Videospielfiguren halte ich für absolut eindimensional und echt… nerdy! Nix für ungut!
@ Uli Behrendt
Ich nehme an du wolltest eigentlich unter einen anderen Artikel posten? Denn auf den obigen bezieht sich dein Kommentar nicht.
@ Uli Behrendt
zu Deinem Kommentar, auch wenn er nichts mit dem Artikel hier zu tun hat: es gibt keine „einfach gestrickten Typen“, jeder hat ein großer Repertoire an Verhaltensweisen. Wir alle haben eine sehr komplexe und vielschichtige Persönlichkeit. Eben weil diese so komplex ist, braucht es Modelle, welche die menschlichen Verhaltensweisen in vereinfachter Form darstellen, verstehbar und beschreibbar machen. Typen sind da natürlich eine sehr grobe Vereinfachung, sollten auch nur als eben das gesehen werden, und werden dem realen Verhalten von Menschen nur bedingt gerecht. Das schreibe ich auch immer wieder hier auf der Seite und in meinem Buch.
Um alle Facetten der Persönlichkeit von jemandem zu erfassen, braucht es eine individuelle, persönliche Beschreibung, und die kann kein Test liefern, sondern nur ein Mensch.